top of page

Die undankbare Fremde, Roman, 
Verlag Galiani, 2012 Berlin, 
Gebunden mit Schutzumschlag, 148 Seiten, 
€ 16,99 (D); sFr 24,90 €; 17,50 (A)

 

ISBN 978-3-86971-052-5

Die undankbare Fremde

 

Schweizer Literaturpreis 2012
(ursprünglich Eidgenössicher Preis für Literatur)
 
Das Taschenbuch erschien bei Kiepenheuer&Witsch, € 8,99 (D); CHF 12 .
 

"Fremdsein als Heimat – zu dieser inspirierenden Formel gelangt Irena Brežnás temperamentvolle Erzählerin ganz am Schluss. Eine Erzählerin mit zwei Stimmen: Die eine gehört der Vergangenheit des jungen Mädchens, das aus der Tschechoslowakei in die Schweiz kam und gleichzeitig von der Kindheit in die Adoleszenz trat; die andere der Gegenwart einer Dolmetscherin, welche den Behörden heutige Migrantenschicksale übersetzt und für die Leserschaft dieses Buch in poetische Prosa giesst. Das Exil als paradoxe Metapher, wie durch eine Lupe gesehen, todernst, hochkomisch, tiefenscharf und berührend."

 
Aus der Preisbegründung der Literaturjury, 2012

Der Roman wird verfilmt, die Rechte dafür erwarb die Produktionsfirma Milan Film in Basel, das Filmdrehbuch schreibt der Basler Autor Joel Lászlo

​

Es gibt bis jetzt elf Romanübersetzungen: ins Französische, Italienische, Russische, Schwedische, Mazedonische, Slowakische, Tschechische, Arabische, Hindi, Ungarische und zuletzt Englische

​

​

 

 

Anchor 1
VIDEOS
Das Buch wurde im Literaturclub im Schweizer Fernsehen von Iris Radisch, Hildegard Keller, Stefan Zweifel und Daniel Hell diskutiert
REAKTIONEN UND MEDIENSTIMMEN

"Die undankbare Fremde" erschien gerade auf Englisch im Verlag Seagull mit Sitz in Calcutta, London und New York, auf Arabisch im Verlag Sefsafa in Kairo 

​

 

Sie brauchte Jahrzehnte, um dieses Buch schreiben zu können. Jetzt ist es da. Und es wird die Migrationsdebatte in der Schweiz verändern. In „Die undankbare Fremde“ berichtet die vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin und Kriegsreporterin Irena Brežná, geboren 1950 in der Tschechoslowakei, anhand einer Ich-Erzählerin von ihrer Emigration in die Schweiz, wo sie seit 1968 lebt. Es ist die brillant geschriebene Geschichte einer Identitätsfindung zwischen Anpassung und Widerstand. So schonungslos, wütend und erkenntnisreich hat noch nie eine hiesige Migrantin über ihr Dasein in der Fremde geschrieben. Diese Frau will nicht dankbar sein für ihr Bleiberecht , sie will in ihrer Fremdheit anerkannt und gehört werden. Die unterdessen eingebürgerte Brežná liest Schweizern wie Einwanderern die Leviten. Sie zeigt auf, dass es nur ein Miteinander geben kann, wenn beide Seiten aus ihrer Deckung herauskommen. So eine Einwanderin kann man sich nur wünschen. 
Peer Teuwsen, Die Zeit 

Katzen füttern verboten
Irena Brežná erzählt von ihrer Ankunft in der Schweiz. Sie gehörte zur letzten Generation von Einwanderern, die in der Schweiz willkommen war. Die Fremdenfeindlichkeit traf damals die seither bestens integrierten Italiener, die als "Saisonniers“ auf den Baustellen arbeiteten und abends den Frauen nachpfiffen. Aus der Angst vor "Überfremdung“ durch die Südländer entstand eine "Nationale Aktion“, aber vom Hass der Schweizerischen Volkspartei wie der Heftigkeit ihrer fremdenfeindlichen Kampagnen vermittelte sie allenfalls eine leise Vorahnung. Noch war die Identität der selbstbewussten Nation intakt, der Kalte Krieg hatte das Land in seinem Griff und bestimmte das Klima, in dem die Schweizer nach den Ungarn im Jahre 1956 auch noch die Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei erfreulich zahlreich aufnahmen. Sie waren die Opfer ihrer ideologischen Feinde und vor den realen sowjetischen Panzern geflohen. In ihrer neuen Heimat pochten sie auch nie auf den demokratischen Sozialismus mit menschlichem Antlitz, den sie zu Hause zu verwirklichen versucht hatten. Sie waren willkommen, schwiegen und passten sich an. Viel hat man auch seither nicht von ihnen gehört. Fast ein halbes Jahrhundert später bricht eine Vertreterin dieser Achtundsechziger-Flüchtlingsgeneration ihr Schweigen. Irena Brežná hat sich als große Journalistin — nicht nur mit ihren preisgekrönten Kriegsreportagen aus Tschetschenien — und Schriftstellerin einen Namen gemacht, als Siawistin wie Psychologin gearbeitet und kürzlich mit "Die undankbare Fremde“ einen sehr autobiographischen Roman geschrieben. Dieser Titel steht auch für das Paradies, in das sie im Alter von achtzehn Jahren mit ihren Eltern gekommen war. Denn als solches wurde ihr die Schweiz von den Schweizern, die noch immer nicht aus ihrem Nachkriegsschlaf der Selbstgerechten geweckt worden waren, nachhaltig vermittelt: Wie schön muss es sein, zu uns kommen zu dürfen. Doch ganz so reibungslos erfolgte die Assimilierung nicht. Sie war auch eine Entfremdung. Noch immer gelingt es Irena Brežná nicht, die eine mit vielen Realitäten und Theorien vertraute Autorin geworden ist, die Ankunft in der Schweiz und die Erfahrungen der ersten Jahre in einen Guss zu schildern. Es geht nur in gebrochenen Stücken, Szenen und Skizzen.
Zum Programm des Sprachkurses gehört die Warnung vor Urlaubsreisen in "schlampige Länder“, weil man dort schnell einmal die Tugenden der Schweiz verliert, laut wird, zu viel Geld ausgibt und schließlich "erschrocken über sich selbst“ zurückkehrt. Im Hinterhof füttert die Jugendliche ein Kätzchen, das genauso heimatlos ist wie sie. "Katzen füttern verboten“ steht nach wenigen Tagen auf einem Schild, diese "gehören jemandem oder ins Tierheim“. Es geht um eine Abtreibung der Freundin Mara — im Ausland. Neben den Reminiszenzen aus der eigenen Existenz schildert Irena Brežná Beobachtungen aus ihrem Alltag als Dolmetscherin. Es sind Geschichten beim Psychiater, vor Gericht, auf Ämtern, von Schweizern und Ausländern. Nur im Krankenhaus wird die Angst vor Körperkontakt überwunden. Es ist ein "Land im Land“, in dem "lockere Sitten“ herrschten, ein "Schlaraffenland“ mit hoch entwickelter "Behindertenpädagogik“. "Den Todgeweihten ging es am besten, sie wurden auch am Kopf gestreichelt.“ Nach drei Tagen wurde die Slowakin im helvetischen Exil aus diesem Paradies vertrieben und hatte Entzugserscheinungen. Mit scharfen Strichen skizziert die Schriftstellerin das Klima in der Schweiz. Sie ist eine Augenzeugin, deren genauer Blick von den Unterschiedenen zusätzlich geschärft wird, und die es versteht, diese Szenen mit packenden Sätzen aus der Tiefe der Erinnerung herauszuholen.
Jeglichen theoretischen Systemvergleich versagt sie sich. Aber die Erfahrung der Demokratie auf der Flucht vor den Besatzern aus den Bruderländern stellt den Leser unweigerlich vor die Frage, welche der beiden Gesellschaften im Kalten Krieg letztlich die totalitärere war. Die Schweizer hatten den Staat im Kopf und gegen die Ideologisierung waren sie weniger immunisiert als die Bürger eines kommunistischen Staats, die ihr Land zumindest als Feind behandeln durften. Die Kraft ihrer jugendlichen Revolte, die sie vor jeder Überanpassung bewahrte, mündete in eine permanente Auseinandersetzung mit dem neuen Land. Die Kritik an ihm beschränkt "Die undankbare Fremde“ auf die ironische Brechung der Ansprüche des Paradieses an seine politischen Flüchtlinge — aber ohne sich auszunehmen: "Ihrer Zwangsneurose stellte ich meine Hysterie entgegen. Zu jung war ich für dieses erwachsene, vernünftige Land. Meine Versuche, es zur wilden Liebe herauszufordern, schlugen fehl.“ Vierzig Jahre Erfahrung als weltoffene Reporterin und Schriftstellerin vermitteln der literarischen Aufarbeitung ein starkes Profil. Das Buch lebt von der sprachlichen Genauigkeit und dem klaren Blick. Die Frauen der Migration haben die Schweizer Literatur bereichert, vielleicht sogar erneuert. Neben Ilma Rakusa und Melinda Nadj Abonji schreibt auch Irena Brežná in der höchsten Liga. In seiner Dramaturgie ist ihr Essay eher langweilig angelegt, doch aus seinen zusammenhanglosen Szenen, die sich ungemein spannend lesen, ergibt sich ein differenziertes Porträt der Schweiz. Das Puzzle entpuppt sich als großes Fresko.
Jürg Altwegg, Frankfurter Allgemeine 

Im Guckkasten der Einwanderung
Mit dem Eidgenössischen Literaturpreis ausgezeichnet: Irena Brežnás Roman "Die undankbare Fremde“ 
Es gibt eine kleine Geschichte des 2007 verstorbenen Schweizer Schriftstellers Jörg Federspiel, in der ein Schweizer in Zürich mit einem eleganten Ausländer an einer Ampel steht. Es regnet, der mutmaßliche Brasilianer hat einen Schirm, aber er spannt ihn nicht auf. Der Schweizer versucht, sich mit ihm zu verständigen, er solle doch bitte seinen Schirm benutzen, es regne! Der Ausländer vermeidet es, und lässt den Schweizer aufgeregt und verwirrt zurück. Den pädagogischen Hang einiger Schweizer, ihr intensives Bemühen, vernünftig zu wirken und nirgendwo anzuecken, es sei denn, es gehe darum, Ordnung zu schaffen, erklärt man sich inzwischen gern historisch: als Ausdruck eines erst vor nicht einmal hundert Jahren erreichten Wohlstands, der durch Vorsicht und Berechnung befördert wurde, nicht durch risikoreiche Leidenschaften. Irritiert betrachten die Erzählerin von Irena Brežnás neuem Buch "Die undankbare Fremde“ und ihre Freundin Mara, beide vor einiger Zeit aus einem osteuropäischen Land emigriert, ihrerseits anfangs wie sich Schweizerinnen in unförmige Hosen bringen und hübsche, enge, bunte Kleidchen links hängen lassen. Wer prahlt und sich aufbrezelt, für die beiden völlig natürliche Versuche, Aufmerksamkeit zu organisieren, wird in der neuen Heimat verachtet. Nur wer schwach ist und krank, kann sicher sein, dass er Zuwendung erhält. Ein erbärmliches Land. Nun erzielt gerade in diesem Land die Migrationsprosa derzeit erstaunliche Erfolge. Die letzten Schweizer Buchpreise gingen ausnahmslos an sogenannte Nicht-Muttersprachler, von Ilma Rakusa über Melinda Nadj Abonji bis Catalin Dorian Florescu. Ilma Rakusa, vom Hintergrund ihrer Geschichte her verwandt, passt stilistisch nicht in die Reihe, aber vor allem Nadj Abonji und Florescu sind prächtige Anlässe für die Gegenüberstellung eines "wilden“, nur partiell besserungsbereiten Osteuropa und einer magermilchartigen Schweiz, die auch Brežná intensiv beschwört. Sprachlich gelenkiger und essayistischer als Abonji, schlackenloser und weniger blumig als Florescu, gnadenloser als beide, zumindest anfangs.
Gerade eben wurde ihr für ihren Roman einer der "Eidgenössischen Literaturpreise“ zugesprochen, die das Schweizerische Bundesamtes für Kultur vergibt. Ja, die lesenden Schweizer hören, nicht ohne protestantische Selbstgeißelungslust, gerne Geschichten von der sterilen Schweiz und ihren aufregenden Fremden. Wobei fraglich ist, wie lange die planen Gegenüberstellungen noch einleuchten. Brežnás Buch wurde schon kurz nach seinem Erscheinen breit gelobt, "so ungeschützt und schonungslos gegen sich und andere“ habe "noch keiner über die Emigration geschrieben“, doch die Schärfe des Texts erklärt sich nicht zuletzt dadurch, dass viele der Beschreibungen genauer betrachtet Botschaften aus der Vergangenheit sind. Die Zeit nach 1968, in der die 1950 in Bratislava geborene Irena Brežná in die Schweiz kam und in der sie nun ihre über weite Strecken vage chronologisch erzählten Bekenntnisse beginnen lässt, war, trotz Unruhen und "Hippies“, die es auch in der Schweiz gab und die bei Brežná ganz untergehen, eine bleierne Zeit. Damals hieß es in Zeitungsanzeigen noch "Offizier erwünscht“, wenn eine Führungsposition zu besetzen war. Heute sind die Unternehmen froh, wenn sie die Bemühungen der Milizarmee nicht mit Arbeitsausfall unterstützen müssen. Auch die hübschen Kleidchen bleiben nicht mehr auf der Stange. Die Balkanisierung hat, wie in Deutschland, auch in der Schweiz mit der Musik begonnen, inzwischen ist sie, so friedlich wie fröhlich, in die Mode vorgedrungen. Lieber sexy und billig als fad und allein, heißt das Credo von Gold- und Silbersandälchen. Insofern haftet an Brežnás gekonnter Schweiz-Beschimpfung etwas Staub. Wobei auch wahr ist, dass die Tendenz zur theatralischen Kolorierung des Alltags per Mode manchem Schweizer Probleme macht. Zu deutlich wirkt das fremde Ding am Körper noch wie ein Versuch von Selbsttherapie. Brežnás Buch ist klar in zwei alternierende Teile aufgeteilt. Der erste ist die eigene, mäßig schlimme, aber dicht erzählte Immigrationsgeschichte - in gewisser Weise eine Fortsetzung von Brežnás vor einem Vierteljahrhundert erschienenem Buch "Wie ich unter die Schweizer kam“. Der zweite Teil sind regelmäßig dazwischen geschobene Geschichten aus dem Alltag einer Dolmetscherin, die physisch und psychisch anstrengendere Gründe und Folgeerscheinungen der Emigration zum Vorschein bringen: Krankheit, Tod, Drogen, Verbrechen, Krieg spielen eine große Rolle. Der Ton eines wütenden, aber kühlen Erlebnisberichts wird zugunsten eines protokollartig skandalisierenden, der die undurchsichtige Situation der Dolmetscherin auch literarisch zum Thema macht, abrupt gebrochen. Die Dolmetscherin soll sich nicht einmischen, bei Verständnisschwierigkeiten keine Brücke zu bilden versuchen - wogegen die Erzählerin aber immer wieder verstößt. Allmählich ergibt sich über sie eine umfangreiche Sammlung des Jammers der Welt. Eine gute Zeit lang fährt sich Brežná in dieser etwas schematisch wirkenden Erzählstruktur fest, bis sich allmählich eine Öffnung ergibt. Sie verliert die selbststilisierende Dauerentrüstung der enttäuschten, aber stolzen, auf ihrem Recht auf Fremdheit beharrenden Emigrantin und spricht ihren selbstgerechten Schweizer Einwanderungsparadies-Bewohnern sogar Veränderungspotenzial zu. Als sich eine Richterin mit skrupulöser Sachlichkeit für sie einsetzt, lernt sie auch unattraktive Glanzpunkte schweizerischen Selbstverständnisses schätzen - und indem sie sich immer öfter dabei ertappt, "die Schweizer“ zu verteidigen, verändert sie sich selbst.
Süddeutsche Zeitung, HANS-PETER KUNISCH 

«Ich seilte mich tiefer ins Wesen des Landes ab …» sagt die Erzählerin an einer Stelle, und findet, langsam, für sich heraus, dass sie in der verstörenden Pflicht zur Distanz, wie sie in der Schweiz üblich ist, auch eine «Rettung» entdecken kann: ein Recht auf Abstand – statt auf Verschmelzung –, auf scharfes Denken, auf Genauigkeit. Freude an sprachlicher Genauigkeit durchzieht auch ihr Buch, in dem ein hohes elegisches Erzählen wechselt mit knappen dokumentarischen Einschüben: Szenen aus der «anderen» Schweiz, wenn sie den in Schweizer Spitälern, Gefängnissen landenden Fremden als Dolmetscherin kurz ihre Stimme leiht. «Aber ich bleibe eine Nomadin», lächelt Irena Brežná, die ihrer «Fremd-Heimat» Schweiz mit ihrem Buch nun das Dokument einer Auseinandersetzung geschenkt hat, wie sie sich leidenschaftlicher nicht denken lässt. 
Bernadette Conrad, Aargauer Zeitung 

In vielen zwei- bis vierseitigen, so poetischen wie kraftvoll bildhaften Kurzessays versucht die Erzählerin, den "Erhalt meiner Instinkte" zu sichern. Sie kritisiert das neue Land scharfsinnig in Grund und Boden. Dazwischen stehen, von fern an Michael Schischkins Roman "Venushaar" erinnernd, ebenso kurze, kursiv gesetzte Szenen, in denen eine Dolmetscherin, offenbar das einstige Flüchtlingskind, zwischen Emigranten und Behörden vermittelt. Den ausländischen Dieben, Betrügern, Selbstmördern, Depressiven, Invaliden und Krebskranken ist aus unterschiedlichsten Gründen nicht geglückt, was der Heranwachsenden am Ende gelingt: eine neue Identität auszubilden und in der Schweiz anzukommen. 
"Die undankbare Fremde" ist wie Melinda Nadj Abonjis Roman "Tauben fliegen auf" eine glückende Integrationsgeschichte. Der Wechsel von essayistischen und erzählenden Passagen, von damals und heute, von unnachgiebigem Beharren auf der Wahrheit kindlicher Erfahrung im Sozialismus sowie zwischen grausamen Lebensgeschichten und dem kalkulierten Behördenzugriff kontrastiert schroff verschiedene Fremdheiten. Dieses Hin- und Herspringen löst die anfängliche absolute Distanz des Flüchtlingskindes auf, und am Ende steht die neue Patchwork-Identität als "Emigrazia". 
Jörg Plath, Deutschlandradio Kultur

Brežná, eine talentierte Metaphorikerin, lässt ihre Heldin phantasieren: "Wären die Obdachlosen aus buntem, glatten Plastik, würde man sie abstauben, anpreisen und hätscheln bis zum Ausverkauf. Ihr Missgeschick war, dass sie noch lebten und nicht glänzten.“ Die Abrechnung der „Undankbaren Fremden“ liest sich leicht und unterhält. 
Tina Uhlmann, Berner Zeitung 

Die Protagonistin erkennt, dass die Assimilation an das Land, in dem sie gelandet ist – die Schweiz – schlichtweg nicht wünschenswert ist: "Mit Nachdruck appellierten sie an den Verstand, bereiteten den Nachwuchs auf die vordergründige Welt vor, in der sie sich auskannten. Dass es dahinter noch tausend Welten gab und darunter tausend Böden, tausend Wonnen, haben sie verschwiegen. Das war Betrug (…)." Von hier aus nehmen zutiefst ironische und doch traurige, leichtfüßige und doch schwerwiegende Betrachtungen der westlichen, wohlhabenden Gesellschaft und ihren kulturellen und territorialen Grenzziehungen ihren Lauf. Dient hier zwar die Schweiz als Beispiel, lassen sich die Aussagen doch mindestens auf Deutschland und Österreich ausweiten: "Die hiesigen Weiher gehörten nicht uns allen, auch Fische waren private Dinge. Wo könnte ich losrennen bis zur Sonne und bis zum Umfallen privatlos schreien? Grenzen überschreitende Gefühle standen im Verdacht, den Privatbesitz enteignen zu wollen." Die Protagonistin findet ihre Identität und Heimat in dem in der Reibung der Kulturen entstehenden Zwischenraum selbst und stellt fest: "Ich schärfe den Blick für die Weite, drehe das Leiden am Fremdsein um und fordere mein Recht auf Fremdheit, stilisiere die Fremdheit zur Seinsform, denke mich stets neu, werde heimisch darin." Dieses Buch ist eine ernsthafte und zauberhafte Auseinandersetzung mit der Frage nach Anpassung und Widerstand, Herkunft und Zukunft. Zugleich kann es als Liebeserklärung an die deutsche Sprache verstanden werden, hinter der tausend unentdeckte Welten schlummern. Die undankbare Fremde macht diese spürbar. Brežná schreibt meisterhaft. 
Aviva-Berlin. Online Magazin für Frauen 

In beiden Lebensphasen ist die Ich- Erzählerin eine anstrengende Frau. Eine, die nicht bescheiden auftritt, wie man es von Fremden ebenso erwartet wie von den Einheimischen. Aber so langsam, wie sie selbst sich der Schweiz öffnet, wächst sie einem ans Herz. Man entdeckt den Schalk in ihrer leidenschaftlichen Unsachlichkeit und bewundert plötzlich den Mut, mit dem sie ihre Identität behauptet. Da, wo beide Stimmen zusammenkommen, zeigt sich dann schliesslich Irena Brežnás literarische Meisterschaft: In wenigen Sätzen durchdringt sie die Kommunikationsprobleme zwischen den Welten. Das Gegenteil des regulierten, spröden Miteinanders der Eidgenossen. Auf einmal versteht man, was Mentalität überhaupt bedeutet: ein dichtes Gewebe aus Verhalten und Überzeugungen, das einem an dem Ort, wo man in es hineinwuchs, das soziale Überleben ermöglichte. Ein Gewebe, das man nicht ohne Mühe abstreifen kann. So versteht man plötzlich die jähe junge Frau von den ersten Seiten des Buches. In einer Diktatur, deren Rahmen eisern ist, muss man sich den inneren Aufruhr leisten, um nicht in Depression unterzugehen. In einem Land wie der Schweiz, wo jeder Einzelne die Umstände mitbestimmen kann, wäre dieses ständige Aufwallen eine fürchterliche Kraftverschwendung. In den Jahren, als Irena Brežná in die Schweiz kam, galt der Slogan «Das Private ist politisch». Man könnte ihn noch weiterführen: Das Politische ist persönlich. Dieses Buch ist beides. Und dafür muss man der Autorin, die ihre Fremdheit souverän bis heute hochhält, dankbar sein. 
Von Susann Sitzler, Basler Zeitung 

Eine junge Frau kommt aus einer Diktatur «in ein reiches Land». Ein Land, in dem Wörter wie «konsequent» hohes Ansehen geniessen. In dem man die Worte, mit denen man das höchste aller Gefühle ausdrückt – «i ha di gärn» – auch fürs Müesli benutzt. Das Ursprungsland der Protagonistin bleibt unbekannt. Die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern aber sind gross, lassen die junge Frau mit bitteren Gedanken umherstreifen. Grundsätzlich ist die Zugezogene in den Augen der Einheimischen unberechenbar. Die Einheimischen wiederum sind aus ihrer Sicht verklemmt und überkontrolliert – Ausnahmen bestätigen die Regel. Brežná, die in Basel wohnt, hält uns Schweizern den Spiegel vor, lässt uns unser Land sehen durch die Augen einer Auswärtigen, die nicht hier sein will. Die Hauptfigur erfährt die Schweiz als Land von lauter formellen Individualisten, die nicht mal ihren Kindern eine Streicheleinheit gönnen, um niemandem nahezutreten. Oft ist ihr Blick entlarvend, oft aber fühlt sich die Leserin ertappt und denkt, jetzt übertreibst Dus aber. Nach typischer Schweizer Art bleibt man deshalb auf Distanz, würde die junge Frau wohl sagen. Doch man ist nicht eingeschnappt und liest trotzdem weiter – denn dieser Roman ist einfach grandios geschrieben. 
Karen N. Gerig, TagesWoche Online 

“Es ist unmöglich, auf Dauer dankbar zu sein”
Als Mädchen kommt sie in die Schweiz, das gelobte Land für Flüchtlinge, sauber, schön und meinungsfrei, “bei uns hast du es gut”, bekommt sie oft zu hören. Aber so gut findet sie es nicht unter den Menschen, die fremd sind und in ihr nur die Fremde sehen. Bei der Gegenüberstellung der alten Heimat, der sie entflohen ist, und der neuen Bleibe, in der sie stets um Akzeptanz flehen muss, offenbaren sich unüberbrückbare Differenzen: “Ich blieb störrisch und weigerte mich, in der Zwangsehe mit meinem Gastland glücklich zu werden.” Zu steif sind die Schweizer, zu distanziert, zu pünktlich und zu organisiert. Sie halten sich für Gutmenschen, obwohl sie nicht tolerant sind, erwarten Assimilation, obwohl sie Ausländer stets als solche stigmatisieren. Und so bleibt sie ganz bewusst eine undankbare Fremde, umgibt sich mit ihrer Andersartigkeit wie mit Chitin, behält ihren anstößigen Humor und ihre Bissigkeit – und findet in den Sprachen ein Wasser, in dem sie schwimmen kann. Sie wird Dolmetscherin und hilft in Krisenfällen, wenn Flüchtlinge und Einheimische vor Sprachbarrieren stehen, übersetzt in Krankenhäusern oder der Psychiatrie und wird mit tragisch-traurigen, alltäglich-schrecklichen Immigrantenschicksalen konfrontiert: “Als sprachlicher Notdienst kurve ich in Sprachen wie in verwinkelten Gassen herum, berühre den einen oder anderen Arm und schaue in viele Augen. Aufwühlende Fahrten sind das.” Sie passen zu ihrem aufmüpfigen Naturell und bieten ihr eine neue Art von Heimat: in einem sicheren Land zu leben und jederzeit Zuflucht zu finden im Hafen der Sprachen.
In jeder Zeile spürt man, dass die Autorin weiß, wie es sich anfühlt, zu stranden in einem Land, in dem man eigentlich nicht sein will und in dem man keinen Anker findet. Ihre Ich-Erzählerin ist jung und abenteuerlustig, es dürstet sie nach Liebe und Geheimnissen, doch sie knallt gegen die Pedanterie und Ordnungsliebe der Schweizer – die in diesem Fall austauschbar sind mit Österreichern und Deutschen – wie gegen eine Granitplatte. Sie soll nicht so bleiben dürfen, wie sie ist, aber so zu werden wie die Einheimischen, ist nicht möglich – und ebenfalls unerwünscht. Welche Art von Integration kann es geben? Wie lässt sich das Zusammenleben von so unterschiedlichen Kulturen gestalten? Das sind die Fragen, denen die Autorin nachgeht. "Die undankbare Fremde" ist eine intensive, gehaltvolle Auseinandersetzung mit dem Gefühl des Fremdseins, eine Aneinanderreihung von Gedanken und Begebenheiten. Eine Romanhandlung im eigentlichen Sinne gibt es nicht, vielmehr wird ein schillernder Reigen an eingefangenen Situationen präsentiert, es entsteht ein Mosaik, das begreifbar machen soll, wie zersplittert ein solches Leben fern der Heimat ist, dass es aus 7000 Scherben besteht, die in der Sonne funkeln. Herausragend ist die Sprache, die Irena Brežná als Werkzeug benutzt, um die Welt so zu beschreiben, wie ihre Ich-Erzählerin sie sieht, voll lebendiger Metaphern, sehr fordernd, eingängig und sperrig zugleich. Mit Worten erschafft die Schriftstellerin einen Menschen und zeigt ihn mir so klar, dass es mir vorkommt, als könnte ich ihn tatsächlich kennenlernen. Nie passt er ins Schema, dieser Mensch, und trotzdem findet er einen Weg, eine Nische. "Die undankbare Fremde" ist ein kleines Büchlein mit großer sprachlicher und inhaltlicher Wucht – ausgezeichnet. 
buecherwurmloch.wordpress.com 

Die Autorin Irena Brežná ist ein wahres Wunderkind. Mit einer schonungslosen Sprache geht sie das doch eigentlich mit Samthandschuhen anzufassende Thema "Einwanderer" an. Kritisch und doch wertfrei schreibt sie über das Ankommen in der Fremde, das Anpassen, die Erwartungen. Dabei reflektiert sie die Situation von denen die Schutz suchen und von denen, die Schutz bieten. "Die undankbare Fremde" beschreibt eine Identitätssuche, die nicht enden wird. Klug und gestochen scharf. Für mich ist Irena Brežná eine Wortakrobatin. 
www.feierabend.de 

Das Recht auf Fremdheit 
Migrantinnen und Migranten sind der neuen Heimat zu Dank verpflichtet. Das gehört sich so. Damit einher geht die Einhaltung der einheimischen Gebräuche, wofür Begriffe wie Assimilation und Integration stehen. Wenn Fremde gegen diese Gepflogenheiten verstossen, reagieren die Schweizer mit Unverständnis. Der neue Roman von Irena Brežná könnte auf solche Resonanz stossen. "Die undankbare Fremde" erzählt von einer 18-Jährigen, die sich nicht geräuschlos einfügen will. Sie versteht unter einer besseren auch eine freiere Welt, in der sie ihren Eigensinn austoben kann. "Haben wir unser Land verlassen, um die Freiheit zu bekommen, zwischen giftigen Putzmitteln zu wählen?", fragt ihre Freundin Mara einmal. Zwischen den zurückhaltenden Einheimischen und den zwei Gören bildet sich eine Trennlinie der gegenseitigen Befremdlichkeit. Der Roman spielt 1968 in einem Land, das klimatisch eher dem Film "Die Schweizermacher" gleicht als der gegenwärtigen Schweiz. Die steife Rechtschaffenheit von damals hat sich seither etwas gelockert. Dennoch mag Brežnás Buch zu irritieren und zu provozieren. Die vorwurfsvolle Zuspitzung, mit der sich die mokante Erzählerin hervortut, hält der helvetischen Eigenart einen undankbaren Spiegel vor. Brežnás Buch arbeitet pointiert eine kritische Sicht heraus. Die Erzählerin neigt am Ende zur Versöhnlichkeit mit der neuen Heimat. Nur eines will sie sich auch dann nicht nehmen lassen: das Recht auf Fremdheit. Dieses Recht ist unabdingbarer Teil einer besseren Welt. 
Von Beat Mazenauer, sfd (sda)

Der bösen Heimat gute Sprache 
Diese Lesung war ein Genuss. Das Hamburger Literaturzentrum hatte die Schriftstellerin Irena Brežná eingeladen, ihren neuen Roman "Die undankbare Fremde" vorzustellen. Die Autorin las sehr druckvoll und sehr entschieden. Kein Wunder, hat der Text doch einerseits eine biografische Grundierung, so wie er das grundsätzliche Thema aufgreift: Was passiert, wenn ein Mensch sein Herkunftsland verlassen muss - und ihm im neuen Land die Zugehörigkeit noch nach Jahren verwehrt wird? "Ich wurde verheiratet an ein Land wie an einen strengen, alten Mann", so lässt sie ihre Heldin über jenen Moment der Immigration sprechen. Spannend war das anschließende Publikumsgespräch, das äußerst lebhaft verlief. Dabei erfuhren die Besucher manch Wissenswertes aus der Schweiz: Wem ist denn hierzulande bekannt, dass es in der deutschsprachigen Schweiz derzeit geradezu verpönt ist, Hochdeutsch zu sprechen; dass der wachsende Gebrauch des Schwyzerdütsch nicht einer folkloristischen Heimatliebe verpflichtet ist, sondern dazu dient, sich den Zugewanderten gegenüber abzuschotten? "Ich gehe gerne über die Grenze nach Deutschland zum Einkaufen - weil ich dann unbefangen Hochdeutsch sprechen kann", wie die Autorin gestand, die daher bewusst in Basel wohnt. "Ich bin jetzt eine Autorin der deutschen Sprache; die deutsche Sprache ist mein Werkzeug, ich kann nicht zurück in meine Muttersprache." 
Die Welt 

Die Schweiz von aussen gesehen 
Als 1968 die Sowjets in ihren unbotmässigen "Bruderstaat" Tschechoslowakei einmarschieren, flüchtet die jugendliche Protagonistin dieses Romans mit ihrer Familie in die Schweiz. Doch die neue Heimat stellt sich der jungen Frau als sperriges Land voll merkwürdiger Verhaltensmuster ihrer Bewohner dar. Erstaunt registriert der Teenager die überhöfliche Distanz, das Sicherheitsbedürfnis und die Anpassung - oder wie es die Autorin beschreibt: "Dabei war gerade die Sorge ein hoher Wert. Kaum der Kindheit erwachsen, zermarterten sie sich verantwortungsvoll den Kopf über die Rente. Vor der Sorge gab es die Vorsorge. Und kümmerte man sich zu wenig um die Sorge, landete man bei der Fürsorge, und sollte diese zu Ende sein, gab es genug Nachsorge." Den glänzend geschriebenen, oft sehr komischen autobiografischen Text unterbricht die Autorin Irena Brežná gelegentlich: mit Erlebnissen, die sie als Ãœbersetzerin von Asylsuchenden in der Schweiz und den zuständigen Behörden hat. Diese beiden Textstränge ergänzen sich zu einem eindrucksvollen Bild der Schweiz und der Immigration in dieses reiche Land. 
Wolfgang Bortlik, 20 Minuten 

Freiheit finden in der Fremde 
Sich fremd fühlen ist ein Zustand, der Menschen aus vielerlei Gründen befallen kann. Nur wenige nutzen diese Leidens-Distanz, um sich eine neue Freiheit zu verschaffen. So die slowakisch-schweizerische Schriftstellerin Irena Brežná. Die Heldin ihres Romans wandert 1968 nach dem Einmarsch der Sowjets in die Tschechoslowakei mit den Eltern aus. In der Schweiz trifft sie auf eine analytisch-strukturierte Kultur, fernab ihrer chaotisch-herzlichen osteuropäischen Wurzeln. Man pflegt den Abstand zum Anderen. Wo es scheinbar nur die Wahl zwischen Anpassung oder Widerstand gibt, geht das Mädchen den schwierigeren und individuellen Weg weiblicher Selbstfindung. Sie beobachtet genau und lernt leidenschaftlich Hochdeutsch, was ihr wenig Sympathie verschafft, denn die Schweizer kommunizieren lieber in diversen Dialekten. "Eine Sprache mit tausend Akzenten wurde unsere Vatersprache", schreibt Brežná, die nicht nur mit der Präzision ihres lebendigen und humorvollen Ausdrucks das Publikum beeindruckte. Auch die radikale Einforderung des Rechts auf Fremdheit stieß auf Sympathie. Einige in Flensburg lebende Zuhörer fühlten sich angesprochen und beteiligten sich lebhaft am ausführlichen Gespräch. Als interkulturelle Vermittlerin trägt sie mit ihrem Roman außergewöhnliche und bedenkenswerte Aspekte zur Diskussion ums Thema Migration bei, weshalb ihrem Buch eine große Verbreitung zu wünschen ist. 
Stefanie Oeding, Flensburger Tageblatt 

Auszeichnung einer Mutigen 
Die Basler Autorin Irena Brežná erhält einen der acht Eidgenössischen Literaturpreise 
Viel zu viele Autorinnen und Autoren sichern sich stets nach allen Seiten ab. Irena Brežná gehört definitiv nicht zu diesen Lavierungskünstlern. Was und worüber sie auch schreibt, immer setzt sie sich aus, schont weder sich noch andere. Ihr Name hat sich mir eingeprägt, als sie sich Mitte der Neunzigerjahre nach Tschetschenien schmuggelte und mit starken Bildern vom russischen Kolonialkrieg berichtete. Unvergesslich, wie sie das wolfsähnliche Aufheulen von Tschetscheninnen schildert, als sie die Leiche eines Dorfbewohners entdeckten. Anstelle seines Gesichts sahen die Frauen ein schwarzes Loch. Die Ratten hatten nur die halbe Stirn übrig gelassen. 1997 ist von Irena Brežná dann das Reportagenbuch «Die Wölfinnen von Sernowodsk» über ihre Tschetschenien­erfahrungen erschienen. Die 1950 in der damaligen Tschechoslowakei geborene Autorin kam 1968 in die Schweiz und lebt seither, wenn sie nicht auf Reisen ist, in Basel. Sie erkundete die Vielschichtigkeit und die blühenden Ränder der ehemaligen Ostblockländer, schrieb über Dissidenten, russische Mafiosi, Krimtataren, aber auch allgemeiner über den Nationalismus in Osteuropa, über Heimatverlust und Fremde. 2008 kam ihr viel beachteter Roman «Die beste aller Welten» heraus, in dem sie aus Kinderoptik das Leben in Bratislava unter totalitären Verhältnissen vergegenwärtigt. Und wie schon in ihren Reportagen verliebt man sich auch in diesem Roman sogleich in die zupackende, unerbittliche, im besten Sinn des Wortes subversive und doch immer auch poetische Sprache Irena Brežnás. Gerade weil ihre kindliche Heldin die kommunistischen Phrasen viel zu wörtlich nimmt, wird uns bewusst, wie verlogen und paranoid die Ideologiekonstrukte damals waren und wie weit sie in das Alltagsleben hineinwirkten. In dem Buch lässt sich noch ein anderes Markenzeichen Irena Brežnás bewundern, nämlich ihr herrlich böser Humor, der nie auf Kosten der Emotionalität und Sinnlichkeit und erst recht nicht auf Kosten der Präzision geht. In diesem Jahr erschien schliesslich der Roman «Die undankbare Fremde», mit dem Irena Brežná endgültig den Durchbruch geschafft hat. Sie erzählt darin von ihrer Emigration in die Schweiz des Kalten Krieges, der, was die Migration angeht, in diesem Land bis heute andauert. Ihre Protagonistin weigert sich, kritiklos dankbar zu sein. Sie macht den Mund auf, nimmt sich das Recht heraus, anders und fremd zu bleiben, lässt sich über Schweizer Eigenarten wie über Befindlichkeiten und die Anpassung der Einwanderer herrlich kompromisslos und unversöhnlich aus. So muss gute Literatur sein. Neben Erinnerungen fliessen in «Die undankbare Fremde» auch eindrucksvolle Szenen aus ihrem Nebenberuf als Dolmetscherin für Psychiater, Ämter, Gerichte ein. Das Klima zwischen Schweizern und Ausländern kommt dabei scharf und differenziert zum Ausdruck. Und klar wird, wie Totalitäres auch das vermeintliche Paradies Schweiz erfasste. Man kann füglich über Sinn und Unsinn des neuen Eidgenössischen Literaturpreises streiten. Aber unbestritten ist, dass Irena Brežná ihn verdient hat. 
Von Julian Schütt, Basler Zeitung

“Gefällt Ihnen Ihr Spiegelbild?”, fragt rhetorisch eine schweizweit aktive Fitness-Studiokette gegenwärtig auf Weltformat-Plakaten. Sie könnte Irena Brežnás Roman meinen. „Die undakbare Fremde“ ist der brisanteste Roman über die Schweiz dieses Frühjahrs. Eine namenlose Protagonistin bewahrt den „Fremden Blick“ und beschreibt in kurzen Essays ihre Emigrationserfahrung. Geschickt wird diese Ebene mit knappen Szenen kontrastiert: Schilderungen von Begegnungen mit in der Schweiz gescheiterten Fremden aus der Arbeit der Protagonistin als Dolmetscherin. Noch nie wurden mit solcher Schärfe schweizerische Eigenheiten und Umgangsformen auf den Punkt gebracht.
Solothurner Literaturtage 2012 

Am Ende steht die Patchwork-Identität
Irena Brežná wurde zu einer erfolgreichen und mehrfach preisgekrönten Reporterin und hat auch als Schriftstellerin Anerkennung gefunden. Die Anfänge aber waren schwer - so schwer, dass sie das Verhältnis zum Aufnahmeland bis heute prägen, denn sie haben sich jetzt, nach Jahrzehnten, in einem bitterbösen Buch Luft gemacht. «Die undankbare Fremde» heisst es provokant. In ihrer Heimat habe sie sich wie ein Fisch im Wasser bewegt, im Exil liegt sie auf dem Trockenen: «Ich hatte Kiemen gehabt, und auf einmal wurde ich ans Ufer geworfen, hörte das Wachsen der Lungen, und jeder Atemzug schmerzte.» Der Neuankömmling eckt unentwegt an, weil die gewohnten Verhaltensweisen hier eine neue Deutung erfahren. Sich Freunde zu schaffen und denen kleine Vorteile zuzuschanzen, war in der Mangelgesellschaft überlebenswichtig; hier gilt es als Klüngelei, also verwerflich. Die Schärfe der erinnerten Beobachtung führt immer wieder zu trefflichen Formulierungen. Die individualistische Perspektive wird kontrastiert und ins Allgemeine ausgeweitet durch kursive Passagen, in denen die (ältere und angekommene) Erzählerin als Dolmetscherin auftritt, die mit schrecklichen Schicksalen der neuen Fremden konfrontiert wird. Das relativiert das eigene Leid, zeigt aber auch eine Kontinuität des behördlichen Unverständnisses. Gegen Ende wird doch eine gewisse Entwicklung erkennbar: Die «undankbare Fremde» stellt eine Auflockerung des Aufnahmelandes fest, das nicht mehr ganz so schweizermacherhaft wirkt wie im grössten Teil des Buchs («Ich werde älter und das Land immer jünger und bunter»). Sie freundet sich auch mit den «liebenswerten Seiten» der Schweiz an: «Rechtsstaat, Klarheit, Ausdauer, Wort und Tat als symbiotisches Paar». Zum andern begreift sie die Vorteile der bewahrten inneren Fremdheit: Abstand ist gut fürs Denken. Mit ihren pointierten Sätzen und ihrer auftrumpfenden Haltung hat Irena Brežná einen eigenen Platz in der mittlerweile dicht besetzten «Ankunft in der Schweiz»-Literatur gefunden. 
Martin Ebel, Der Tagesanzeiger

Wie anpassungsfähig muss, wie eigensinnig darf ein Mensch sein, der zu uns, ins Zentrum Europas, vorgelassen wird? Vor dem Hintergrund der „Deutschland schafft sich ab“-Ängste und hitzig geführten „Culture Clash“-Diskussionen schreiben „Autoren mit Migrationshintergrund“ über das Wechseln zwischen den Staaten und Kulturen, über das Fremdsein und den notwendigen Eigensinn. Hilal Sezgin und Irena Brežná – beide schriftstellerisch und journalistisch tätig, die eine als Tochter zweier Islamwissenschaftler in Frankfurt a.M. geboren, die andere 1968 aus der Tschechoslowakei in die Schweiz immigriert – werfen einen kritischen Blick auf den Begriff der "Integration" und fragen, welche Rolle in diesem Zusammenhang Pluralismus, Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit spielen und ob zur Integration nicht eigentlich auch zwei Seiten gehören?
Hannoversche Allgemeine

Der Neubeginn in der Schweiz wird zu einem Balanceakt zwischen Tradition und Gegenwart, Anpassung und Widerstehen, Bewahren und Vergessen. Der kleine Roman erzählt diesen Prozess in kurzen, streiflichtartigen Szenen, überhöht durch seine poetische Sprache den Einzelfall ins Allgemeine und kontrastiert die Geschichte einer letztlich gelingenden Migration durch Begegnungen der später als Dolmetscherin arbeitenden Erzählerin mit Figuren, denen das Hineinfinden in eine neue Identität aus den unterschiedlichsten Gründen nicht so leicht gelingt. Wie soll man eine Fremde annehmen, die sich als „gepflegte Leere“ erweist? In der man ständig gemaßregelt und ermahnt wird, passt man sich den Gepflogenheiten, die hier herrschen, nicht an? Wo überall Verbotsschilder stehen und die Einheimischen sich hinter ihrem Dialekt verstecken? Und verklärt sich nicht die alte Heimat, in der man bitteres Leid zu erdulden hatte, angesichts der Tatsache, dass es dort zwischen Mensch und Mensch keine unüberwindbaren Grenzen gab, man trotz aller Unfreiheit in einer Gemeinschaft lebte und darin wärmende Nähe empfand? Irena Brežnás Erzählerin lehnt sich gegen die Sterilität eines Daseins auf, in dem ihr die Luft zum Atmen fehlt. Sie benennt genau, was sie stört am Leben in einem Land, das aus der Ferne so verheißungsvoll leuchtete. Und sie macht nicht mit bei Dingen, die sie in ihrer Persönlichkeit einschränken. Und in ganz verzweifelten Situationen greift sie auf das zurück, was sie als ihr bestes Erbe aus sozialistischen Tagen begreift – den ausgeprägten Hang zu Witz, Spott und Ironie, um an den Verhältnissen nicht zu zerbrechen. Mit Heiterkeit reagiert die namenlos bleibende Erzählerin etwa, wenn das in der Diktatur so vermisste demokratische Mitbestimmungsrecht plötzlich darin besteht, dass stundenlang darüber diskutiert wird, wer „neuer Beauftragter für das Hinaustragen vom Abfall“ werden soll. Denn sie weiß: Es gibt wichtigere Dinge, für die zu kämpfen sich lohnt, Missstände, die keiner anspricht, Denkweisen, die die Grenzen zwischen den Einheimischen und den aus den unterschiedlichsten Himmelsrichtungen Hinzugekommenen zementieren, anstatt sie durchlässig zu machen. Doch trotz all der Schwierigkeiten der Hauptfigur, in eine neue Identität hineinzufinden, trotz aller Kritik an ihrem Aufnahmeland, mit der das Buch wahrlich nicht geizt – unterm Strich erzählt "Die undanbare Fremde" eine Geschichte, die auf eine funktionierende Assimilation hinausläuft. Und zwar deshalb funktionierend, weil Irena Brežnás Protagonistin sich nie den gewandelten Gegebenheiten unterwirft, sondern hartnäckig auf Partizipation besteht. Erst wenn das Eigene sich dem Fremden genauso öffnet wie das Fremde dem Eigenen, so darf man wohl verstehen, kann gelingen, was auch heute, fast ein halbes Jahrhundert nach den im Buch geschilderten Ereignissen, noch viel zu selten passiert: dass Menschen, die ihre Heimat aus welchen Gründen auch immer verlieren, nicht auf ewig heimatlos bleiben müssen.
Dietman Jacobsen, www.poetenladen.de

Wenn Reibung keine Wärme erzeugt
Irena Brežná, 1950 in der Tschechoslowakei geboren und heute in Basel lebend, weiss genau, wovon sie in ihrem neusten Buch, «Die undankbare Fremde», spricht. Wie ihre Ich-Erzählerin erlebte sie als 18-Jährige die familiäre Emigration in die Schweiz, hinein in ein Land zwischen Verharren im Kalten Krieg und zögerlicher Hinwendung zum 1968er Aufbruch. Darüber hinaus aber hat sich Irena Brežná in den vergangenen Jahren einen gewichtigen Namen als Journalistin und Kriegsreporterin erschrieben. «Die undankbare Fremde» ist ihr dritter Roman - so denn die zweiteilige Prosa nicht vielmehr ein emotionsgeladener, doch stilistisch kondensierter Erlebnisbericht ist, ergänzt um die essayistischen Einflechtungen einer sprachkompetenten Vermittlerin zwischen den Kulturen. Die «undankbare Fremde» ist nämlich eine, die sich durch die Aufnahme ins Schweizer Exil alles andere als gerettet fühlt. Vielmehr hadert sie mit dem Fremden und anderen, kämpft um den Erhalt ihrer kulturellen Wurzeln, reibt sich an der Differenz. Ja, im Grunde ist die Geschichte der jungen Ich-Erzählerin die sprachlich pointierte Ausformulierung einer unablässigen Reibung - und zwar genau an der Stelle, wo seit Jahrzehnten Integration, primär durch Assimilation, gepredigt wird. Zuweilen gelingen Irena Brežná dabei hinreissende Sätze über die Schweizer Eigenart und deren Eigenartigkeiten. So sind wir, wir Schweizerinnen und Schweizer, kommt man beim Lesen nicht umhin zu denken, immer wieder beeindruckt - vordergründig erheitert, unterschwellig irritiert. Es ist letztlich das Recht aufs Fremd- und Anderssein, das Irena Brežnás Protagonistin vom makellosen Rechtsstaat ihrer neuen Heimat einfordert. Damit trifft die Autorin zweifellos einen menschlich-selbstverständlichen, politisch aber umso brisanteren Punkt in der aktuellen Integrationsdebatte.
Sibylle Birrer, Neue Zürcher Zeitung

Die Schweizer führen sich auf wie "passionierte Heimleiter für Schwererziehbare". Als wären die Einwanderer eine rohe Masse, die es zu zivilisieren gilt. Harte Worte. Und Irena Brežná hat noch mehr davon auf Lager: «Haben wir unsere Heimat verlassen, um die Freiheit zu bekommen, zwischen giftigen Putzmitteln zu wählen?» Die Freiheit in der neuen Heimat Schweiz ist eingezäunt mit vielen Regeln wie Pünktlichkeit, Wahrung der Privatsphäre, Absicherung gegen jeden Zufall, Ernsthaftigkeit (sprich: Witzlosigkeit). «Zuhause ist dort, wo ich motzen darf», sagt Brežná. Sie ist 1968 aus der Slowakei in die Schweiz gekommen. Sie hat lange gebraucht, um anzukommen im neuen Zuhause. Und noch viel länger hat sie sich Zeit gelassen für dieses Buch, in dem sie nun motzt über dieses Zuhause. Ihre Kritik gründet auf der eigenen Erfahrung, sie sei «die beste Einwanderin der Schweiz» befand denn auch die «Zeit». Denn Brežná hat keine Abrechnung im Sinn, sondern den Traum von einem Zusammenleben mit einem Recht auf Fremdheit. Der Roman «Die undankbare Fremde» erzählt von einem Mädchen, das mit seinen Eltern aus einer osteuropäischen Diktatur in die Schweiz flieht. «Hier herrschte das System, und ich war der pure Zufall», stellt das Mädchen fest. In genau beobachteten Szenen wird das Verhalten der Schweizer der unangepassten Fremden gegenüber beschrieben. Brežnás Analyse ist messerscharf und unerbittlich, aber ihr Buch bleibt leichtfüssig. Es setzt auf eine poetische Sprache, und es hat Humor. So schmunzeln wir Schweizer letztlich über unsere eigenen Macken. 
Appenzeller Zeitung

Irena Brežnás neuer Roman ist nicht nur ein packendes Leseerlebnis, sondern das subtile Porträt einer Frau, die ihre Heimat verlassen musste. Wie wenige Autorinnen ihrer Generation versteht sie es, den Schrecken und das Schöne in leichte Bilder zu fassen. Mit wunderbar sanfter Hand erschafft sie eine Atmosphäre, die süchtig macht. Ein bestechendes und einzigartiges Prosakunstwerk. Ein Roman voller Poesie und Eleganz, der lange nachklingt.
Stanislav Struhar, Thalia, Wien

Staub besichtigen
«Seit ich meine weite Haut der Gemeinschaft verloren hatte, hüllte ich mich in enges Selbstmitleid, verkroch mich im Groll gegen das Unvertraute. Ich fühlte mich wie ein Ding, das Mutter in ein fremdes Haus gestellt hatte, wie eine unmündige Braut, hundert Jahre zurückgeworfen, verheiratet an ein Land wie an einen strengen, alten Mann.» So spricht die Protagonistin in Irena Brežnás neustem Roman, wie zwangsverheiratet mit einem Mann, der sich nicht für ihre Identität und ihren Kummer interessierte, sondern erwartete, dass sie funktionierte und ausserdem Dankbarkeit zeigte. Aber die junge Frau reagierte mit Widerstand, und aus der Reibung wurde sie zur Staatsbürgerin eines Landes, das nun, nach über vierzig Jahren, endlich auch ihre Kritik akzeptiert und ihre Meinung hören will. Brežná fand den Zugang zur neuen Heimat über einen Umweg: Sie solidarisierte sich mit anderen Fremden. In ihrem Buch schildert sie, wie sie als Dolmetscherin Asylsuchende im Gericht oder im Krankenhaus begleitet: Flüchtlinge mit noch schmerzvolleren Erfahrungen als die ihrigen, Menschen mit noch mehr Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden: «Es fiel ein Wort, ein Blick des Erkennens, und schon erreichte mich die Wärme, die aus dem Fremdsein des anderen strömte. (…) Eine Sprache mit tausend Akzenten wurde unsere Vatersprache. Entbunden vom Gebot der Höflichkeit gegenüber dem Gastland zogen wir höhnend darüber her.» Durch diese neue «Heimat des Motzens» erkennt die Grenzgängerin ihre Stärken und fügt ihrem slawisch geprägten Temperament, auf dem sie trotzig besteht, einen messerscharfen Verstand hinzu. Für das Denken war die deutsche Sprache ideal, stellte sie fest und setzte der Dialektverliebtheit der SchweizerInnen die analytische Hochsprache entgegen. «Die undankbare Fremde» hat eher essayistischen Charakter. Ironisch hält sie darin den freundlichen, ordentlichen, bescheidenen und demokratischen EidgenossInnen den Spiegel vor, der nicht immer ein schmeichelhaftes Bild zurückwirft: «Sie waren Kämpfer, Idealisten des Materiellen, vertrauten auf ihre Zähigkeit und strebten nach dem Unmöglichen: die Oberfläche ihrer kleinen Welt hochpoliert zu halten, und zwar dauerhaft, was auch geschehen möge. Kaum war der Bankschalter keimfrei, schlichen sich schon die nächsten Bakterien heran, unsere ältesten Vorfahren. Immer wieder zog das Land mit dem Lumpen in der Rechten gegen die Vorfahren los. Ich entdeckte erst hier, dass ich eine angeborene Sehschwäche für Schmutz hatte. Nachdem ich das Treppenhaus gewischt hatte, riefen mich die Nachbarn zur Besichtigung der Staubkörner. Wenigstens kamen wir endlich ins Gespräch.» Auch in den Forderungen nach Anpassung waren die SchweizerInnen hart. Damals in den siebziger Jahren, als die junge Irena sie mit ihrem unberechenbaren Temperament provozierte. Damals, als man noch nicht zu denken wagte, «dass Zugewanderte an der Gesellschaft teilnehmen und dabei bleiben dürfen, wie sie sind». 
Eva Pfister, Die Wochenzeitung, Zürich

Geräuschlos wie Partisanen
„Die Fremden müssen sich anpassen“, heißt es oft, doch die namenlose Ich-Erzählerin denkt nicht daran, sich anzupassen. Sie ist eine Rebellin, die keine Zwangsehe mit dem Gastland eingehen möchte. „Nichts als abhauen wollte ich aus der gefegten Leere, wo man mich maßregelte, und zurückkehren zu den Gehsteigen meiner Stadt, auf denen Müll herumlag. Zuhause war dort, wo es bekannte Lebensspuren gab.“ Brežnás Buch ist ein Balanceakt. Die Autorin, die seit mehr als 40 Jahren in der Schweiz lebt, wundert sich über ihre Bewohner, die das Küssen im Voraus planen, die Beziehungen auf Distanz halten, nicht einmal ihre Kinder streicheln, noch bevor sie etwas sagen, um eine Entschuldigung bitten. Sie versteht nicht ihre Sparsamkeit und den Drang, nicht aufzufallen. “Fiel jemand in der Menge durch Protz und Farbe auf, war es ein geschmackloser Flüchtling.” Sie lernt auch Menschen kennen, deren Mitgefühl mit dem ihrer Mitmenschen aus der alten Heimat mithalten kann. „So lernte ich, dass gute Gefühle hier getarnt und geräuschlos wie Partisanen unterwegs waren.“ Die Ich-Erzählerin sucht die Geborgenheit in der Emigration. Sie, die trotz allem eine gute Bürgerin sein möchte, äußert sich kritisch über das Land, dem sie die Bezeichnung Heimat verweigert. Die Schweiz, Traumland aller Heimatlosen, rächt sich dafür mit einem abgewiesenen Einbürgerungsantrag. „Die Einheimischen liebten es, die Fremden mit ihren Dialekten zu bewirten, eine Mundartspeise nach der anderen.“ Brežná aber wollte die Schriftsprache, die nach nichts roch. Die Seiltänzerin balanciert zwischen Missbilligung und Patriotismus. Lästert jemand über die Verhältnisse im Land, verteidigt sie es mit seinen liebenswerten Seiten: „Rechtsstaat, Klarheit, Ausdauer, Wort und Tat als symbiotisches Paar. Ich brauchte eine Jahrzehnte dauernde Weltumsegelung, um sie zu erkennen.“ „Die undankbare Fremde“ ist ein bewegendes Buch, das überzeugt. 
Zdenka Becker, Die Presse

Als „leuchtende Fremde“ taucht die Schweiz auf, doch schon bei Einreise verschlägt es der Heranwachsenden aus der Tschechoslowakei den Atem. Statt heimatlicher Wärme gibt`s Waren im Ãœberfluss: „Um hier einzukaufen, musste man blind und taub sein.“ Irena Brežná erzählt die Geschichte einer gelungenen Integration, blick dabei aber mit grossen, kritischen Augen, mit Wut, Spott, schwarzem Humor, aber auch Zärtlichkeit auf die seltsam gestriegelte Schweiz. Es geht um Identität und Anpassung, eher eine essayistische Erzählung als ein Roman, durchsetzt mit Episoden aus einer späteren Zeit, als die erwachsene Erzählerin zwischen Emigranten und Behörden dolmetscht. Ein brisantes Buch. 
Neue Presse, Hannover

«Die undankbare Fremde» handelt von Ausgrenzung, von erzwungener Dankbarkeit und von Minderwertigkeitsgefühlen. Offen – für manche vielleicht zu offen – rechnet die seit 1968 in der Schweiz lebende Irena Brežná mit der Schweizer Angst vor dem Fremden ab. Damit nimmt sich die 62-Jährige auch die Freiheit, ihre Meinung zu äussern. Doch sie spricht auch für alle Fremden im Land. 
Freiburger Nachrichten

Und das grelle Licht der Fremde fraß die Sterne auf

Eine “bessere Welt” sucht die namenlose Ich-Erzählerin in der Schweiz – gerade ist sie mit den Eltern aus der Slowakei geflüchtet. Finden kann sie aber nur Kälte, die Ankunft im neuen Land wird zum Verlust, zur Abtrennung ihrer Identität. Brežná schreibt kurze, episodenhafte Kapitel, in denen das junge Flüchtlingsmädchen vom Misstrauen und dem Anpassungsdruck berichtet, die ihr ständig entgegenschlagen – “Wenn es dir nicht gefällt, dann geh doch zurück” scheint die einzige Antwort zu sein, die die Schweizer auf die Existenz der jungen Asylbewerberin zu geben wissen. Wie findet man eine neue Identität ohne die alte zu verlieren und wie kann man in einem Land heimisch werden, das einen anscheinend gar nicht will? Die Erzählerin beschreitet einen Weg jenseits der vollständigen Anpassung. Das Schweizerdeutsch kann und will sie nicht erlernen, sie empfindet es als Sprachwall, mit dem sich die Schweizer bewusst vor ihr abschotten. Spontan will sie sein, endlich frei und ungezwungen – und nicht das stumme Schweizer Uhrwerk, das in präzise vorausberechneten Bahnen seine Identität im neuen Land absitzt. Lakonisch reagiert sie auf Anfeindungen, deckt mit viel Humor die Blasiertheit und doppelbödige Moral ihres Gastlandes auf, das ihr zu keinem Zeitpunkt mit menschlicher Wärme begegnet. So lässt Brežná ihre Erzählerin die Verheißungen der westlichen Demokratie in einem weitaus weniger strahlenden Licht erscheinen, als es die hell erleuchteten Straßenlaternen bei ihrer Ankunft versprochen hatten. Erst als Erwachsene findet sie einen Platz in der neuen Heimat, der aber weiterhin in einem Zwischenraum liegt: Sie wird Dolmetscherin und damit die Vermittlerin zwischen beiden Kulturen: “Als sprachlicher Notfalldienst kurve ich in Sprachen wie in verwinkelten Gassen herum, berühre den einen oder anderen Arm und schaue in viele Augen. Aufwühlende Fahrten sind das. … Mal melde ich der Dolmetscherzentrale, dass ich Schwindel bekommen habe. Dass sich der Kopf dreht, das ist ein üblicher berufsbedingter Schaden. Eine Kollegin steigt dann für mich ins Sprachkarussell ein.” Jetzt ist sie es, die zwischen Einwanderern, Asylsuchenden und den Schweizer Behörden vermittelt, die wortlose Schicksale in die fremde Sprache kleidet und dabei immer eine Spur ihres eigenen Wesens mitgibt – obwohl ihr dies die Dolmetscherrichtlinien unter Strafe verbieten. Brežnás Erzählerin weist schließlich beide Plätze, beide Identitäten zurück: Nicht länger ist sie “nur” das slowakische Mädchen und längst nicht eine angepasste Schweizer Frau – sie erschafft sich über die Jahre eine neue Identität im Zwischen, eine ureigene Nische, in der sie sie selbst sein kann. Sprache, das macht die Berufswahl als Dolmetscherin deutlich, spielt für Brežná eine große Rolle – ihre Erzählerin beschreibt ihr Leben sprunghaft, situativ und wie ein tausendfach zerbrochenes Mosaik, dessen Splitter erst mühsam aus dem Fleisch gezogen werden müssen, um schließlich zu einem neuen Bild zusammengesetzt werden zu können. Obwohl nur 140 Seiten lang, ist "Die undankbare Fremde" ein kraftvolles Büchlein, das vom Unwillen jener berichtet, die keine Fremden bei sich aufnehmen wollen und ihre Identität schamlos kappen – ewige Dankbarkeit des Flüchtlings ist hierbei Voraussetzung – und gleichzeitig ist es der Bericht einer gelungenen Integration, die trotz aller Widrigkeiten Halt in dem Zwischenraum von Distanz und Identifikation findet. “Die Fremdheit ist wie der Wunderbrei, der über das Land, über ganze Kontinente schwappt. Aber schaue ich genau hin, ist jede Fremdheit anders. Wir werden dafür neue Begriffe und Bilder finden müssen. Die nächste, die übernächste Generation wird es tun.” "Die undankbare Fremde" hat mich aufgrund der ähnlichen Thematik stark an Julya Rabinowichs "Spaltkopf" erinnert – beide Bücher spiegel die Zersplitterung ihrer Protagonistinnen nach der Emigration auf kraftvolle, sprachlich anspruchsvolle Weise.
synaesthetisch.wordpress.com

Mehr Herz als Geld
Neben dem Nord-Süd-Gefälle, von dem die Völkerpsychologen in diesen Zeiten viel reden, hat man das Ost-West-Gefälle der Lebensauffassungen ein wenig aus den Augen verloren. Dabei findet man in der osteuropäischen Literatur seit je jene Temperamentenlehre, die im Augenblick zur Erläuterung der Unterschiede zwischen Nord- und Südeuropa herangezogen wird: hier Hartherzigkeit und Arbeitsethos, dort Leidenschaft und Lotterleben. Irena Brežná, geboren in der Tschechoslowakei, seit 1968 in der Schweiz beheimatet, rückt den klassischen geoliterarischen Konflikt zwischen Herz und Geld in ihrem neuen Roman wieder in die seit dem Erscheinen des Oblomow altvertraute Ost-West-Achse. In lustvoll polemischer Ãœbertreibung beschreibt sie den Schweizer als einen Tölpel, der seine Liebste nicht herzlicher zu preisen versteht als sein Frühstücksmüsli, und die Schweizerin als eine Dame, die vor einem Stelldichein nicht sich, sondern den Spültrog besonders gründlich bürstet. Der reiche Westen lebt bei Brežná sauber und still in Cellophan verpackt, wohingegen im armen Osten die Gefühle munter und unverpackt spazieren gehen. Das liest sich amüsant, temperamentvoll und wunderbar ungerecht. 
Iris Radisch, Die Zeit

Ein Plädoyer für das ‚Recht auf Fremdheit‘
Der Roman „Die undankbare Fremde“ der deutsch-schweizerischen Autorin tschechoslowakischer Herkunft Irena Brežná weist höchste gesellschaftliche Aktualität, thematische Dichte und ästhetische Qualität auf, so dass er seinen Platz auf dem Literaturmarkt unschwer finden wird. Bei aller Betonung der Rolle, die dem Roman in der Schweizer Integrationsdebatte zukommen wird, sollte jedoch sein literarischer Anspruch nicht aus dem Auge verloren werden. Neben dem Tabubruch – sich als Migrantin über die Aufnahmegesellschaft kritisch zu äußern –, neben den fokussierten Themen Meinungsfreiheit, Kapitalismus versus Sozialismus, latente Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung, die zweifelsohne wichtige Aspekte in diesem Roman sind, darf nicht vergessen werden, dass es sich hier um einen Roman handelt. Seine Erzählstruktur, Figurenkonstellation und vor allem die Sprache sind ebenfalls nicht nur wichtig, sondern entscheidend für das Verständnis der inhaltlichen Ebene.
Diese scheint zunächst nicht primär zu sein, denn erzählt wird „nur“ in Fragmenten von Fällen, die die Ich-Erzählerin dolmetschen muss. Sie heben sich im Buch ab, da sie kursiv abgedruckt sind. Das Verbindende dieser Fälle ist, dass es sich um Fremde handelt, die keine Sprache, aber viele Probleme haben. Und doch: in diesem Buch ist alles primär. Die Autorin überlässt nichts dem Zufall. Selbst die Umschlagsgestaltung ist neben dem Titel programmatisch: Eine Frauengestalt balanciert auf einer gespannten Lichterkette. Wenn die im Hintergrund abgebildeten Stromkabeln als Lebenswege zu deuten wären, so hat sie sich für einen besseren, beleuchteten entschieden. Ein Bein hält sie viel zu hoch in der Luft, steht auf Zehen eines Fußes unglaublich gerade und benutzt einen geöffneten Regenschirm als Balancierstange. Während man einige Details ihres Kleides erkennen kann, ist ihr Gesicht, ihr Körper schwarz. Diese Seiltänzerin kann im Kontext des Romans als die Fremde schlechthin verstanden werden: bis zur Perfektion dressiert, ihres eigenen Ichs entledigt, führt sie die beigebrachte Übung bravourös vor. Der Schirm scheint sie dabei zu beschützen, einen imaginären Schutzraum zu schaffen. Aus eigenem Land auszubrechen und in ein anderes hineinzugeraten, heißt fremd zu werden. Wenn man fremd ist, ist man ausgeliefert, in erster Linie den Beamten. Diese sind mit der Macht ausgestattet, die Fremden als defizitär abzustempeln. Mit der herablassenden Bemerkung „Diesen Firlefanz brauchen Sie hier nicht.“ passte der Hauptmann etwa den slowakischen Namen der Ich-Erzählerin an. Diese Begradigung erlebt sie als Verstümmelung: „Er strich auch meine runde, weibliche Endung, gab mir den Familiennamen des Vaters und des Bruders. Diese saßen stumm da und ließen meine Verstümmelung geschehen. Was sollte ich mit dem kahlen, männlichen Namen anfangen? Ich fror.“ Die Begegnung mit der Fremde hinterlässt Spuren, die sich im Körper und in der Seele der Ich-Erzählerin einkerben. Als sie erkennt, dass der „mitleidvolle Blick“ der hageren Frau, wohl der Hausmeisterin im Flüchtlingslager, ihr galt, erlebt sie es als körperliche Verletzung: „Ich tastete meinen Körper ab, er war noch ganz. Da spürte ich, wie meine Seele auf dem Weg zum Flüchtlingsbett hinkte. Sie war lahm.“ Der Körper wird zum zentralen Aspekt dieses Romans, zur Folie, auf die die Erlebnisse und Erfahrungen in der Fremde projiziert werden. Es geht nicht um Körper als Metapher, sondern um konkrete, alltägliche Erfahrungen des Körperverlustes, denen die Fremden ausgeliefert sind: „Sie müssen zuerst einen Pass beantragen, um mit der Hand über eine Wange streichen zu dürfen.“ Die Fremden sind in diesem Roman kranke, verfallende, misshandelte, missbrauchte, „so oft zwangsberührte“, selbstverstümmelte, geschundene Körper: „Körper, den er der Droge schenkt, damit sie ihn vernichtet“, „unscharfe Körperformen“, hölzerne Körper, „Körper per se“, gespannter Körper, „als wollte er unsichtbare Seile sprengen“, „der abgenagte Körper“, Körper, „als wäre er ein geliehenes Kleid“. Die Krankheit verleiht dem Körper die Stimme, die zur neuen Sprache wird, zur Sprache des Schmerzes: „Wenn die Patientin etwas von ihrem Körper wahrnimmt, dann nur Schmerz.“ Die Krankheit wird zur treuen Begleiterin in der Fremde. Es kommt zum „Bürgerkrieg im Körperland“: Missbildungen, Autismus, Behinderungen, Psoriasis, Tuberkulose, Hepatitis C, Übergewicht und immer wieder Seelenkrankheiten. Selbst die im neuen Land geborenen Kinder der Fremden bleiben nicht verschont: „Die Tochter vermag die Welt nicht als die Weite zu sehen, sie wurde in der Enge der Angst ausgetragen. Sie hat einen engen Blick auf die Welt.“ Die Krankheit kann in Brežnás Roman als Implosion gedeutet werden, die Fremden werden zu einer „implodierte[n] Minderheit“ (Chiellino). Dies äußert sich in der Gewalt ihren eigenen Kindern gegenüber, wie der Dialog zwischen der Mutter eines autistischen Mädchens und der Ärztin illustriert: „Wir sind streng, wir schlagen sie. Das beruhigt sie." "Weil es Körpersprache ist", erklärt die Ärztin." Mit dem Entgleiten des Körpers geht der Verlust der Sprache einher: „Körper und Sprache. Ein Liebespaar, das täglich ermordet wird.“ Die Sprache und der Körper sind untrennbar. Die Sprache hat ihre eigene Physiognomie: „Ich sehe an der Beschaffenheit des Mundes, von welchen Lautkombinationen er geformt worden ist.“ Julia Kristeva, eine aus Bulgarien stammende und auf Französisch schreibende Literaturhistorikerin und Philosophin, schildert in ihrem Buch „Fremde sind wir uns selbst“, wie schockierend die Entdeckung der neuen Sprache als eigene Körperlichkeit erlebt wird.
Selbst wenn man die neue Sprache einwandfrei spricht, verrät der Akzent, dass man in dieser Sprache fremd ist: „Wer nicht nach Dialekt roch, blieb ein fremder Fötzel.“ Im Unterschied zu ihrer Freundin Mara entscheidet sich die Ich-Erzählerin gegen den Dialekt und wählt bewusst ihre Fremdheit, ihre Nicht-Zugehörigkeit. „Ich wollte die Schriftsprache, sie roch nach nichts, ein leeres, weiß getünchtes, mehrstöckiges Haus, mit geräumigen Zimmern und hohen Decken.“ Die Schriftsprache wird in diesem Satz deutlich genug so dargestellt, dass man erkennen kann: ihr Vorteil gegenüber dem Dialekt besteht darin, dass sie kein kulturelles Gedächtnis besitzt. Sie gibt der Ich-Erzählerin nicht nur den Freiraum, sondern in erster Linie den Schutz, der für sie als Dolmetscherin unverzichtbar ist. Durch die Schriftsprache wird die Distanz zwischen der Ich-Erählerin und den Schweizern geschaffen, die sie braucht, um sich mit ihnen nicht identifizieren zu können und sich so beim Dolmetschen auf der inhaltlichen Ebene gegen die stummen Vorwürfe der Fremden ungreifbar zu machen. Sie ist zwar gegen sie ungreifbar, aber mit ihnen verbunden, denn „Nicht die Sprache verbindet, sondern ihr Inhalt.“
Die Perspektive der Dolmetscherin ist nicht nur tragend in der Erzählstruktur des Romans, sondern ein in der interkulturellen Literatur verbreitetes Motiv – exemplarisch sei hier etwa auf Yoko Tawadas „Das Bad“ verwiesen. Die sukzessive Thematisierung des Dolmetscherberufes scheint in Brežnás Roman allerdings in dieser Art erstmalig zu sein. Dass die Ich-Erzäherin ihren Beruf als „Tilgung der eigenen Persönlichkeit“ erlebt, kann so gedeutet werden, dass sie in der ständigen Konfrontation der Sprachen feststellt, dass ihr eigenes kulturelles Gedächtnis in der Muttersprache liegt, während sich in der erlernten Schriftsprache der Fremde eine Lücke auftut. Um diese zu schließen, muss sie das kulturelle Gedächtnis in die neue Schriftsprache hinübertragen. Um dies umzusetzen, wird die Ich-Erzählerin gespalten in das kleine Mädchen und die Dolmetscherin. Während das kleine Mädchen für das kulturelle Gedächtnis in der Muttersprache steht, symbolisiert die Dolmetscherin das Hinübertragen des Gedächtnisses in die neue Sprache. Umzusetzen schafft es aber erst die Autorin, Irena Brežná, indem sie ihren Roman schreibt. In der deutschen Sprache des Romans konsolidiert sie sich, indem sie das kleine Mädchen gleich am Anfang des Romans Deutsch sprechen lässt. Nicht umsonst sagte Brežná in einem Interview, dass sie mit diesem Buch ihren eigenen Anfang verarbeiten wollte. Gelungen ist der Autorin viel mehr. Als Schriftstellerin hat sie eine dialogische Sprache geschaffen, die sich durch eine anspruchsvolle Ästhetik kennzeichnet. Als Psychologin erkennt Brežná, dass die geforderte Anpassung zu einem Korsett wird, das krank macht. Als Migrantin fordert sie einen respektvollen Umgang mit der Fremdheit, sie fordert die Fremden auf, ihre Andersartigkeit nicht als Mangel, sondern eine Bereicherung aufzufassen, und legt den Alteingesessenen nahe, dies im eigenen Interesse zu erkennen. Die „Hackordnung“ kann in der Realität nicht länger bestehen: „Ich heiße Emigrazia. Meine Heimat ist Ausländerin. Von hier lasse ich mich nicht mehr emigrieren.“ 
Natalia Shchyhlevska, literaturkritik.de

Wenn im Paradies die eigene Seele lahmt
Ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen als politischer Flüchtling beschreibt Irena Brežná den Prozess einer neuen Identitätsfindung in der Schweiz. Es ist der Weg einer starken jungen Frau, die in ein Paradies verpflanzt wird und merkt, wie „ihre Seele lahmt“, weil ihr der Boden ihrer kulturellen Identität entzogen wird. Mit einem scharfen Blick von aussen unterscheidet sie die Kultur der „Einheimischen“ von ihrer eigenen ethnischen Herkunft. „Zuhause ist dort, wo man motzen darf“, aber wo ist der Raum dafür, wenn wir eigentlich nur dankbar sein sollten? Stück für Stück gelingt es der Protagonistin, aus den Elementen beider Kulturen eine gereifte und damit bereicherte eigene Identität zu schaffen. Diese dient als Basis zu einem Plädoyer, die neue Vielfalt der Kulturen auch in der Schweiz stärker als Chance wahrzunehmen und damit zu einer „dankbaren Fremde“ zu werden. In der offenen und persönlichen Diskussion im Anschluss an die Muttenzer Lesung wurde deutlich, wie sehr dieses Buch aus dem Herzen von vielen Menschen mit Migrationserfahrung spricht. Es braucht noch viele Auseinandersetzungen auf persönlicher, gesellschaftlicher und politischer Ebene, um hier Ängste abzubauen. Erst dann kann ein gesellschaftliches Gerüst entstehen, welches identitätsstiftend ist, aber genügend Raum für Neues schafft, das von selbstbewussten und starken Menschen aus unterschiedlichen Kulturen eingebracht werden kann. 
Heike Wach, Muttenzer Anzeiger

Gewählte Fremdheit
Mit 18 wird sie aus der Tschechoslowakei in die Schweiz transplantiert. „Grüezi“ - Sie wird Jahre brauchen, um diese Grüssformel zu entschlüsseln, eine von vielen Botschaften, die sich der Migrantin erst allmählich erschliessen. Geld und Recht und Ordnung und Sauberkeit und Manieren. Kein Trödeln, Tänzeln, Träumeln, keine Spässe, für die man sich nichts kaufen kann. In ihrem ersten Buch „Die beste aller Welten“ beschrieb Irena Brežná die Kindheitswelt. Jetzt widmet sie sich den Schmerzen der Verwandlung, die die erzwungene Migration bedeutet. Eine Verwandlung, die auch Bereicherung, nicht nur materielle, bedeutet. Die deutsche Schriftsprache vermittelt Klarheit und Abstraktion. Als Dolmetscherin setzt sie über Sprachufer, vermittelt zwischen Begriffswelten. Die Autorin bricht in neue Dimensionen auf. Will nicht Kindheitsmief gegen Wohlstandsmickigkeit eintauschen. Sie ist kein ganzer Mensch mehr. Das ist ihre Chance. Zusammenbruch und Fundstücke: Sie ist eine Collage, die sie selber gestaltet. Das utopische Projekt unserer Zeit. Keine trügerischen Zugehörigkeiten, auch kein Fremdheitsgedusel. Eine unsentimentale Fremdheit als Wahl. Und immer wieder zurückkehren in die wohltuend nüchterne, pragmatische Schweiz. Die jünger, bunter, fremder wird. 
Michèle Thoma, an.schläge, Wien 

Flügel und Dächlein
Katzenfüttern ist selbst in Diktaturen erlaubt. In Demokratien kommt es vor, dass man gegen solche Vergehen Verbotsschilder aufstellt – und wenn sie nicht beachtet werden, eingeschriebene Briefe mit der Androhung einer gerichtlichen Klage folgen. Herrenlose Katzen werden am besten ins Tierheim gebracht und nicht der unkontrollierten Vermehrung ausgesetzt. Ãœberhaupt scheinen Briefkästen in der Schweiz hauptsächlich die Funktion von Meckerboxen zu erfüllen. Kämmt sich beispielsweise eine heranwachsende Immigrantin am offenen Hoffenster ihre langen, prächtigen Haare, findet sie einen Knäuel davon am nächsten Tag in ihrem Briefkasten wieder. Irena Brežnás erster Roman „Die beste aller Welten“ handelte von der Diktaturzeit in der Tschechoslowakei, ihrem Herkunftsland. Nun schreibt die Autorin, Menschenrechtlerin und Kriegsreporterin in „Die undankbare Fremde“ lustvoll überzogen über ihr Ankunftsland, die Schweiz, die sich zu Beginn des Buchs noch in athenischen Demokratieverhältnissen befindet: ohne Frauenwahlrecht. Also handelt es sich um eine Ankunft vor 1971. Brežná macht kein Geheimnis daraus, dass die Erfahrungen ihrer namenlosen Protagonistin von ihren eigenen gespeist sind, und so ist die Erzählerin, der bei ihrer Ankunft „die Flügel und Dächlein“ ihres Namens, sowie dessen weibliche Endung geraubt wurden wohl wie die Autorin selbst in die Schweiz gekommen. Die zweite Ebene des schmalen Buchs spielt in der Gegenwart. Die inzwischen als Dolmetscherin arbeitende Protagonistin gibt protokollartig heutige Flüchtlingsproblematiken wieder, die sie bei Behördengängen, in Krankenhäusern, Gerichten oder Psychiatrien aufzeichnet. Es handelt sich weniger um Dokumentationen als um Einsprengsel eines Alltags von Verzweifelten. So entsteht ein Kaleidoskop aus Dieben, Kranken, Prostituierten, Lebensmüden, die unrettbar in den groben Maschen bürokratisch umbesetzter Menschenrechtsbestimmungen hängen. Noch schwieriger einzuordnen ist der unterschiedliche Sprachduktus der melancholisch eingefärbten, poetisierten Protokolle und der satirischen Lust der jugendlichen Erzählerin am allseitigen, sich selbst einschliessenden, Naserümpfen. Die eine will emphatisches Aufdecken, die andere schmackhaftes Sezieren. Aber die Energien laufen Gefahr, sich gegenseitig auszubremsen – als würde man ein Gemälde von Otto Dix mit einer Zeichnung von Kätze Kollwitz collagieren. Nach Nadj Abonjis „Tauben fliegen auf“ und Martin R. Deans „Ein Koffer voller Wünsche“ ist „Die undankbare Fremde“ die bissigste der widerspenstigen Schweizer Integrationsgeschichten. Es wäre bestimmt hilfreich, wenn ausnahmsweise mal eine alpenländische Mode zu uns überspringen würde und das deutsche Pendant zur „Salü, exgüsi“ – Mentalität hier in den Fokus geriete. 
Astrid Kaminski, Berliner Zeitung 

Störrische Annäherung
Es ist ihr zu hell, zu sauber, zu eng und viel zu vernünftig, dieses Land, das die Freiheit sein soll. Wie könnte sie sich da je heimisch fühlen? Sie wollte ja auch gar nicht weg. Ein paar Jahre später hat sie sich einigermassen mit der Schweiz versöhnt oder zumindest daran gewöhnt; „ich werde älter und das Land immer jünger und bunter“, heisst es gegen Ende des Buches. Dazwischen sind viele kleine Schritte sowie Begegnungen mit anderen Eingewanderten (die Icherzählerin arbeitet am Gericht und bei Ärzten als Dolmetscherin); und in diesen Passagen wird der autobiografisch grundierte Text zum beklemmenden Bericht. Er ist viel weniger skuril als Irena Brežnás erster Erinnerungs-Roman „Die beste aller Welten“, der die Kindheit im real existierenden Kommunismus beschwor, und weniger glänzend analytisch als ihre politischen Essays; was ihn jedoch trägt und hält, ist seine störrische Glaubwürdigkeit. 
Verena Stössinger, Programmzeitung, Basel

«Wir liessen unser Land im vertrauten Dunkel zurück und näherten uns der leuchtenden Ferne», mit diesem Satz beginnt Irena Brežná ihr Buch «Die undankbare Fremde». Brežná, 1950 in der Tschechoslowakei geboren, floh 1968 mit ihren Eltern in die Schweiz. Heute lebt sie in Basel, ist eine renommierte Ãœbersetzerin und Journalistin. Ihr autobiografischer Roman ist ein traurig berührendes und gleichzeitig ein amüsantes Buch. Die junge Icherzählerin erlebt als ­18-Jährige die Aufnahme in der Schweiz als alles andere denn als Rettung. Dieses Land, paralysiert vom Kalten Krieg, ist ihr unheimlich und sehr fremd. Sie beobachtet sich selber bei ihren Integrationsversuchen und spiegelt dabei sehr erhellend die Eigenart der Schweiz und die Eigenartigkeiten der Schweizer. Zwischen die Erzählungen aus ihrem Alltag stellt Brežná «Protokolle» aus ihrer Arbeit als Ãœbersetzerin. Dieses Nebeneinander ist die Stärke dieses Buchs. Die Schilderungen der jungen Icherzählerin, die in ständiger Konfrontation lebt und mit fast allem hadert, erhalten dadurch einen realen Hintergrund. Brežnás Buch ist nicht nur ein Lesevergnügen, es ist auch ein sehr interessanter Beitrag zur aktuellen Integrationsdebatte in der Schweiz. 
Schweizer Revue, Die Zeitschrift für Auslandschweizer 

Gastland im Zerrspiegel
Eine zarte Person mit Regenschirm balanciert auf einer Lichterkette, zwischen Stromkabeln, Kirchtürmen und Wolken: Das Umschlagbild vermittelt Poesie wie auch Gefährdung, und der Titel, "Die undankbare Fremde", ist doppeldeutig: Ist nur die Aufgenommene undankbar? Oder auch das Zufluchtsland? Eine namenlose Ich-Erzählerin flieht als Pubertierende vor dem Prager Herbst in die kalte, saturierte Schweiz. Schon bei der Ankunft fühlt sie ihren slawischen Namen von Grenzwächtern verstümmelt, empfindet das saubere Exil nicht als Befreiung und sich als Mädchen, das mit einem alten Mann zwangsverheiratet wird. Doch die Heranwachsende fügt sich nicht, rafft sich als störrische Rotznase auf zum sprachgewaltigen Furor des Widerstands. Migranten sind zu preisgekrönten Leitfiguren aktueller Literatur geworden. Je nach Standpunkt in offenbar unvermeidlichen Integrationsdebatten nicken wir oder sind empört, wenn vermeintlich Fremde nicht dankbar sind, sondern ihre Zuflucht, unsere Heimat aufs Korn nehmen. Selten hat dies jemand so ungeniert, so politisch unkorrekt getan wie die in der Slowakei geborene Schweizerin Irena Brežná. Ein Kaleidoskop von Begebenheiten und Beobachtungen einer Halbwüchsigen wird zum grandiosen Monolog, der sich in schäumenden Kaskaden über die Wahlheimat ergießt, die weder gewählt ist noch Heimat wird. In messerscharfer Beobachtung, provokanter Offenheit und lustvoller Ãœbertreibung hält die freche Göre dem sogenannten Gastland - es könnte ebenso gut Österreich oder Deutschland sein - als schein-idyllischer Insel den Spiegel vor, der in sprachvirtuosen Rundumschlägen zum Zerrspiegel wird. Und das tut manchmal weh. Die Erzählstimme entspricht dabei nicht unbedingt der einer aufmüpfigen Jugendlichen. Die Bilder sind kraftvoll, manche so gewaltig, dass sie für Momente den Erzählfluss stauen. Gleichwohl erreicht die Sprachkünstlerin eine magische Intensität. Irena Brežná hat als Kriegsreporterin für NGOs und als Psychologin gearbeitet. All das fließt in die zweite Ebene des schmalen Bandes ein, einen parallelen, in kursiv gehaltenen Erzählstrang: In verdichteten Passagen vermittelt die Ich-Erzählerin, nunmehr als Erwachsene, überaus berührend das Schicksal anderer Immigranten. Sie ist Dolmetscherin für Kriegsflüchtlinge mit all ihren Schicksalen, Hoffnungen und Illusionen; für Traumatisierte in Transiträumen, Kliniken oder vor Gericht; für "die feinen Akzente, auch das seelische Hinken der Entwurzelten". Sie wird zur Mittlerin zwischen Kulturen und den oft auf beiden Seiten Sprachlosen. "Als sprachlicher Notdienst kurve ich in Sprachen wie in verwinkelten Gassen herum, berühre den einen oder anderen Arm und schaue in viele Augen." Gegen Schluss begegnen sich die zwei Ebenen. Die jugendlich-scharfe Beobachterin ist in ihrer Akribie längst mehr Teil der Kultur des Gastlandes, als ihr bewusst war. "Ich fand sie, die Heimat des Motzens", während sie selbst "älter wird, und das Land immer jünger und bunter." Brežná hat sich mit ihrem pointierten Buch über Ankommen, Anpassung und Widerrede einen Platz in der interkulturellen Literatur erschrieben. 
Gunther Neumann, Wiener Zeitung

Der Blick von aussen verstört fast immer. Und wenn man ihn dann noch so treffend in Worte zu fassen weiss, wie Irena Brežná, ist man gelegentlich versucht, sich reflexartig der recht penetranten Ãœberheblichkeit zu erwehren. Und lässt es dann doch. Weil man weiss, dass der Blick von aussen Seiten freilegt, mit denen man sich auseinandersetzen sollte. „Im Herzen blieben sie passionierte Heimleiter für Schwererziehbare.“ „Man war überzeugt davon, dass die armen Geknechteten in den Diktaturen die Güte der Langeweile nicht kannten.“ Irena Brežná beobachtet genau und zieht Schlüsse von eindringlicher Klarheit: „Sich von der Gemeinschaft abzukapseln, um mit schönen Dingen fremdzugehen, diesen Luxus konnte sich eine Gesellschaft leisten, in der das elementare Ãœberleben nicht von den anderen abhing.“ Undankbar (wie der Titel – vermutlich ironisch – suggeriert) ist diese Fremde jedoch nicht, vielmehr beschreibt sie differenziert einen Prozess des Sich-Zurechtfindens in einer fremden Kultur. Spannend ist dabei vor allem, wie vermeintlich geschlossene Fronten, sich allmählich aufweichen, das Wir-und-Die von der Realität eingeholt wird: „Auch etliche Einheimische gerieten in den Vielvölkerstrom, sie waren sowieso nur graduell einheimisch. Aussenseite, Fremde im eigenen Land stiessen zu uns ... Auch im Volk der Fremden waren nicht alle gleichberechtigt. Es war eine Clangesellschaft von ethnischen Gruppen. Nach einer Hackordnung schauten jene, die schon länger hier waren, auf die Neuankömmlinge herab. Ich lehnte es ab, mich ethnisch einfangen zu lassen.“ 
Hans Durrer, deutscher-buchmarkt.de

Ihr „Recht auf Fremdheit“ betont Irena Brežná gern in Gesprächen und reklamiert für das Fremdsein den Status einer eigenen Identität. Heute ist sie stolz, als Ausländerin in der Schweiz zu leben. Das war nicht immer so. 1968, im Alter von 18 Jahren, kam sie mit ihren Eltern aus der Tschechoslowakei in die Schweiz. Sie hat sich nicht nur als Schriftstellerin und Slawistin einen Namen gemacht, sondern auch als Journalistin und Menschenrechtlerin. Für ihre Kriegsreportagen aus Tschetschenien erhielt sie 2002 den Theodor-Wolff-Preis. Auch die Erzählerin des Romans verschlägt es als junges Mädchen in die Schweiz. Die Familie bezieht eine Neubauwohnung am Stadtrand; den Eltern wird ein Arbeitsplatz in der chemischen Industrie zugewiesen. Das neue Land mit seiner Sauberkeit und Ordnung und bizarren Saturiertheit erscheint dem heranwachsenden Mädchen wie ein allzu rein gekehrtes, von Kehrmaschinen und Ordnungshütern beherrschtes Paradies, das zu den grauen Erinnerungsbildern der schmuddeligen Strassen ihrer Kindheit und Jugend in einem krassen Kontrast steht. Von Anfang an rebelliert sie gegen das Gastland, das sie unter allzu viele Gesetze, Regeln und Verhaltensweisen zwingt, die sie als Einschränkung ihrer Freiheit empfindet. Es folgt der beschwerliche, zum Teil demütigende Weg der allmählichen Einbürgerung der Protagonistin, der dank ihrer intellektuellen und sozialen Fähigkeiten einen positiven Abschluß findet. Unbeirrbar lotet Irena Brežná in seinem Verlauf das durch unausgesprochene Erwartungen und unterschwellige Vorurteile belastete Verhältnis zwischen Emigranten und Einheimischen aus. Schwäche und Unsicherheit, um an das Mitgefühl der Einheimischen zu appellieren, Anpassungsfähigkeit und Dankbarkeit werden von den Migranten selbstverständlich erwartet. Aber in dem durchorganisierten bürokratischen Apparat fehlt es oft an Verständnis, Mitgefühl und Menschlichkeit. Und wehe, einer der Zuflucht Suchenden wird zu selbstbewusst und stellt das vorgetäuschte Überlegenheitsgefühl der Einheimischen damit in Frage! Mit klaren, aber auch harten Worten in einer suggestiven Sprache von körperlicher Anschaulichkeit und bildhafter Prägnanz schildert Irena Brežná diesen allmählichen Annäherungsprozess der Exilantin an das Land, das sie aufgenommen hat. Als einen Balanceakt zwischen Selbstbehauptung und Anpassung. Das Buch ist durchdrungen vom Furor eigenen Erlebens. Sie schreibt abwechselnd aus der persönlichen Perspektive ihrer eigenen Erlebnisse und aus der Perspektive ihrer Funktion als Dolmetscherin. Es sind bewegende Schicksale anderer Asylsuchender, die sie knapp und konzise wiedergibt und die einen ernüchternden Einblick in die herrschende Einwanderungspraxis der Schweiz vermitteln, auf die sie mit Hohn und Spott reagiert. Das Land brauche (Zitat) „Haustiere, Behinderte und Fremde“, heißt es einmal, und „im Herzen“ blieben seine Bewohner (Zitat) „passionierte Heimleiter für Schwererziehbare“. Die Lösung des Problems liegt im persönlichen Triumph der Erzählerin über die soziale Hierarchie. Eine wachsende Distanz befähigt sie zur offenen Auseinandersetzung mit Behörden und Menschen, im öffentlichen wie im privaten Bereich. Dazu gehört auch, dass sie konsequent hochdeutsch spricht und gar nicht versucht, sich durch den stümperhaften Gebrauch des Dialekts anzubiedern. Erst als sie ihre Meinung offen ausspricht, sich keine Verhaltensregeln mehr aufzwingen lässt und auf ihre innere Stimme hört, kann sie das Fremdsein als ihre eigene Identität annehmen und gestalten und sich auf diese Weise im Land heimisch und mitverantwortlich fühlen. Dieses weniger als Roman denn als prägnanter, nuancierter Essay zum Thema Migration zu verstehende Buch ist eine kongeniale Lektion nicht nur für Migranten – für sie ganz besonders -, aber auch für jeden anderen, im dauernden Spannungsfeld zwischen Individualität und gesellschaftlicher Zugehörigkeit lebenden Staatsbürger.
SWR2, Die Buchkritik von Cornelia Staudacher

Irena Brežná erzählt in ihrem schmalen Buch von einem Mädchen, das in den 60er-Jahren aus Osteuropa in die Schweiz immigriert. Der Blick, den die Autorin mit der poetischen, kraftvollen Sprache auf unser Land wirft, ist entlarvend, auch heute noch. 144 Seiten, die sich lohnen! 
züritipp vom Tages-Anzeiger, Corina Freudiger

Als 1968 die Sowjets in die Tschechoslowakei einmarschieren, flüchtet die jugendliche Protagonistin dieses Romans mit ihrer Familie in die Schweiz. Doch die neue Heimat stellt sich der jungen Frau als sperriges Land voll merkwürdiger Verhaltensmuster der Bewohner dar. Den glänzend geschriebenen, oft sehr komischen autobiographischen Text unterbricht die Autorin mit Erlebnissen, die sie als Ãœbersetzerin für Asylsuchende in der Schweiz hat. 
Rezension Club Ticket Buchversand

Die Autorin beschreibt ihre Gedanken und Gefühle nach ihrer Migration aus der CSSR in die Schweiz 1968. Für Schweizer ohne Migrationserfahrung könnte dieses Buch verstörend sein. Jedoch ist es sehr interessant, die Gedanken und Gefühle einer Migrantin so präzise und sprachlich versiert übermittelt zu bekommen. Am Ende wird das Buch sehr versöhnlich und die Autorin schafft es, ihre Wahrnehmung über die Welt und vor allem über die Einwohner ihres neuen Heimatlandes für sich in ein sinnvolles Konzept zu bringen. Extrem lesenswert.
Alexander Drews

Die Heldin flieht gegen Ende der 60er-Jahre aus der tschechoslowakischen Diktatur in die vermeintlich offenen Arme der Schweizer Demokratie und fühlt sich dort nicht nur sprachlich missverstanden. Doch sie ist fleißig, lernt schnell, wird Dolmetscherin, findet in der starren, neuen Sprache einen intelektuellen Rahmen für ihre übersprudelnd emotionale Natur und vertritt gewissenhaft das Interesse von anderen Migranten vor Ärzten und Richtern. Irena Brežná hat ihre eigene Geschichte niedergeschrieben und macht darin den Leser gleichermaßen zu Angeklagtem und Verbündeten. Gekonnt beschreibt sie den Kampf ihrer Heldin mithilfe einer deutschen Sprache, die beissende Kritik am stoisch ordnungsliebenden Schweizer Volk übt und gleichzeitig begeistert ist von den Horizonten, die sich einer derartig auf Effizienz fokussierten Gesellschaft auftun. Der Versuch der Heldin, von der einen Kultur zur anderen überzulaufen, mündet in der erleichterten Erkenntnis, dass nichts gegen ihre vermittelnde Zwischenexistenz spricht, und ist damit eine mutige und wichtige Aussprache für Toleranz.
(nmh) www.kulturnews.de

“Wir liessen unser Land im vertrauten Dunkel zurück und näherten uns der leuchtenden Fremde.” Mit diesem Satz beginnt der Roman “Die undankbare Fremde” von Irena Brežná, die ihre Ich-Erzählerin von ihrer Erfahrung als Emigrantin in der Schweiz berichten lässt. Als sie mit ihrer Familie in der Schweiz ankommt, werden in der Kaserne erst einmal Verhöre durchgeführt und wie bei der Einwanderung in die USA, wird der fremd klingende Familienname vereinfacht, es werden ihrem Namen “Flügel und Dächlein” gestrichen. “Diesen Firlefanz brauchen Sie hier nicht.” Er strich auch meine runde, weibliche Endung, gab mir den Familiennamen des Vaters und des Bruders. Diese sassen stumm da und liessen meine Verstümmelung geschehen. Was sollte ich mit dem kahlen, männlichen Namen anfangen? Ich fror.” Die Ich-Erzählerin besucht einen Sprachkurs, findet bald eine Freundin, Mara, die sie einige Jahre begleiten wird. Sie will sich nicht in einen Dialekt zwängen lassen, in dem sie mehr schlecht als recht radebrechen kann, sondern eignet sich die hochdeutsche Sprache an, die ihr Zuhause sein wird und in der sie sich wohl fühlt. Sie bleibt rebellisch, ist vielen Gewohn- und Eigenheiten in unserem Land kritisch eingestellt, denn als Einwanderin sieht sie die Schweizer aus einem anderen Blickwinkel: “Beliebt war demonstrative Unsicherheit. Man hängte gerne “gell” und “oder” an, damit nicht der Eindruck entstand, man gäbe mit eigenem Wissen ungebührlich an und wollte eine demokratische Diskussion unterbinden.” Ihre Kritik, ihre Art, dass sie Bestehendes hinterfragt, wird ihr als Undankbarkeit ausgelegt. Ein Emigrant hat dankbar zu sein, dass er hier, in der sicheren Schweiz leben darf. Sie aber ist “die undankbare Fremde”. Als sie erwachsen ist, arbeitet sie als Dolmetscherin. Sie begleitet Flüchtlinge und Einwanderer zu Behördengängen, übersetzt am Krankenbett im Spital, im Gerichtssaal oder beim Psychiater. Sie kommt dadurch mit Ausschaffungshäftlingen, mit Drogensüchtigen, psychisch Kranken, Sterbenden zusammen. Erstes Gebot ist es, das Gesagte gewissenhaft zu übersetzen, nichts wegzulassen und nichts hinzuzufügen, ansonsten droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Trotzdem gibt es Situationen, in denen die Ich-Erzählerin das Gesagte auch einmal ausschmückt. Eine Klientin beschwert sich allerdings beim Dolmetscherdienst, da sie das Gefühl nicht loswerde, dass alles was sie gesagt habe, nur verkürzt übersetzt wurde. “Ich bin Recyclerin, die aus dem Wortmüll nur die nützlichsten Stücke rettet.” Persönlicher Kontakt zu den Klienten ist unerwünscht, Gespräche mit ihnen, vor einem Termin, sollen nicht geführt werden. Auch an diese Regeln hält sich die Ich-Erzählerin während des Dolmetschers nicht immer. Handkehrum gibt sie Aufträge an eine Kollegin ab, wenn sie das Gefühl hat, dass es ihr zu viel mit einem Klienten wird. “Als sprachlicher Notfalldienst kurve ich in Sprachen wie in verwinkelten Gassen herum, berühre den einen oder anderen Arm und schaue in viele Augen. Aufwühlende Fahrten sind das.” Mit den Jahren, die sie als Dolmetscherin arbeitet, bemerkt sie plötzlich, dass sie schon Mal einen Ratschlag erteilt, der aus der Integrationsbroschüre stammt. “Gerne pachten die sprachlosen Fremden die Schwäche für sich. Eifersüchtig wachen sie über ihren einzigen Besitz. Je mehr Stärke sie in mir sehen, umso mehr hoffen sie, sich etwas davon abbrechen zu können. Sie klagen und klagen.” Als die Ich-Erzählerin in andere Länder aufbricht, trifft sie häufig auch dort auf Einwanderer, die über ihr Gastland lamentieren und auf der Suche nach dem idealen Land sind. Wenn diese Menschen anfangen, über die Schweiz zu lästern, stellt sie fest, dass sie anfängt, dieses Land in Schutz zu nehmen, die positiven Seiten aufzuzeigen. Und kommt sie zurück, erscheint es ihr jedes Mal erträglicher. “Die Ruhe versetzte mich nicht mehr in Unruhe. Ich atmetet tief, als glitte ich in etwas Vertrautes, Stilles zurück. Das Land war nicht nur selbstgefällig, es war selbstgenügsam, sass mir nicht auf der Pelle. Die Polsterung erlaubte, dass man sich für die vielen Ungepolsterten in der Welt interessierte. Tatkräftig, wie denn auch sonst.” Die Autorin Irena Brežná steht mit beiden Beinen im Leben und weiss, wovon sie spricht. Schonungslos geht die Ich-Erzählerin mit der Schweiz und ihren Bewohnern ins Gericht. Sie schont aber keineswegs die Einwanderer und Flüchtlinge. Ich als Schweizerin könnte jetzt aufbegehren und protestieren, aber ich habe mich während des Lesens immer mal wieder gefragt: Sind wir Schweizer tatsächlich so? In vielen Belangen muss ich der Ich-Erzählerin zugestehen, dass sie Recht hat, mit dem Bild, das sie von uns malt. Gegenüber Fremden und vor allem Flüchtlingen glauben wirklich viele von uns, “der sollte dankbar sein, dass er hier sein darf/kann”. Zwischendurch muss sich jeder selber an der Nase nehmen und sich den Spiegel vorhalten. Andere Menschen mit anderen Kulturen sind manchmal auch eine Chance für das eigene Land. Viele Einwanderer werden nicht zurückkehren, also müssen wir lernen, mit ihnen auszukommen. Die Erzählerin bringt es in einer Textpassage auf den Punkt, wenn sie sagt, dass sie nicht aus einer Diktatur geflüchtet ist, um jetzt in einem freien Land zu kuschen und zu schweigen. Denn dann hätte sie in ihrem Heimatland bleiben können. Als ein Flüchtlingsmädchen vom Befrager gefragt wird, woran es glaube, antwortet es: “An eine bessere Welt.”?“Dann bist du richtig bei uns. Herzlich willkommen.” Mit schöneren Worten könnte der Roman nicht enden, der mir in seiner Sprache ausgezeichnet gefallen hat. Die Autorin ist eine Sprachakrobatin und ich fühlte mich wohl in ihren Sätzen. Aus jeder Zeile heraus ist zu spüren, dass sie mit Sprache zu tun hat. In jeder Hinsicht kann ich dieses Buch empfehlen.
lesewelle.wordpress.com

Die Schriftstellerin und interkulturell Ãœbersetzende Irena Brežná hat einen eindrücklichen Roman über die Emigration geschrieben, deren Geschichte parallel aus zwei Perspektiven erzählt wird. Erstens ist es jene der jungen Frau, die aus einer kommunistischen Diktatur Ende der sechziger Jahre in die Schweiz flieht und als Heranwachsende gegen das Gastland und seine starren Regeln rebelliert. Die Frau stösst auf Ablehnung, Gefühlskälte und Unverständnis. Die Heimat, aus der sie fliehen musste, wird im einsamen und verunsichernden Exil zu einem sicheren Hafen: „Nichts als abhauen wollte ich aus der gefegten Leere, wo man mich massregelte, und zurückkehren zu den Gehsteigen meiner Stadt, auf denen Müll herumlag. Zuhause war dort, wo es bekannte Lebensspuren gab. Ihr Gestank wurde in der Fremde zum Duft der Heimat und der Freiheit.“ Die junge Frau kämpft um den Erhalt ihrer kulturellen Wurzeln, reibt sich an der Differenz, denn „Assimilation klingt nach Auflösung. Lieber wäre mir, sie hätten mir meine Partizipation bestätigt, aber dass Zugewanderte an der Gesellschaft teilnehmen und dabei bleiben dürfen, wie sie sind, hätte man damals nicht zu denken gewagt.“ Erbarmungslos, unglaublich entwaffnend und zuweilen zynisch lässt sich die Protagonistin über die Schweizer Eigenarten aus. Um ein Schmunzeln und Sich-ertappt-fühlen kommt man oft nicht umhin. In der zweiten Perspektive erscheint die junge „undankbare Fremde“ als ältere und unterdessen in der Schweiz angekommene Frau, die als interkulturell Ãœbersetzende Einblick in andere Migrantenschicksale erhält. Diese Begegnungen mit Migrantinnen und Migranten sind in essayistischem Stil in die Erzählungen der jungen Frau eingeflochten. Irena Brežná gelingt dabei eine ausserordentlich packende und persönliche Darstellung der Rolle der interkulturell Ãœbersetzenden: „Als sprachlicher Notfalldienst kurve ich in Sprachen wie in verwinkelten Gassen herum, berühre den einen oder anderen Arm und schaue in viele Augen. Aufwühlende Fahrten sind das.“ Die Konfrontation mit anderen Schicksalen lässt die ältere Protagonistin aber auch ihre über die Jahre wiedergewonnene oder vielmehr neu entstandene Stärke spüren. Mit dem Gastland Schweiz hat sie sich versöhnt und ist selber heimisch geworden: „Ich spiele Pingpong mit Sprachen, Kulturen, Fremdheiten, fange die Bälle und schmettere sie zurück, reich an Erfahrung, furchtlos, leicht und bejahe mein Emigrantenschicksal in seiner ganzen gnadenvollen Tragweite.“ Brežnás ehrliche und eigenwillige Schilderung der Rolle und Aufgabe als interkulturell Ãœbersetzende zeigt, wie viel Engagement und Anteilnahme von Seiten der interkulturell Ãœbersetzenden möglich ist. Ebenso aber macht sie deutlich, wo die Schwierigkeiten eben dieser Mittlerfunktion liegen. Denn das Berufsbild einer neutralen, genau übersetzenden und distanzierten Sprachmittlerin kommt in ihren Erzählungen zuweilen ins Wanken und kollidiert mit den eigenen Gefühlen diesen Menschen gegenüber. Ihre offene und ehrliche Darstellung stellt damit einen überaus wertvollen Beitrag zur fortwährenden Auseinandersetzung um die Möglichkeiten und Grenzen des interkulturellen Ãœbersetzens sowie um die Rollen im Trialog dar. 
www.inter-pret.ch von Lena Emch-Fassnacht

Was bedeutet es, fremd zu sein? Wie kann man eigene Identität ausbilden, jenseits des Herkunftslandes? Mit diesen Fragen ist eine junge Frau konfrontiert, die aus der Tschechoslowakei in die Schweiz geflüchtet ist. Die Heldin erkämpft sich schliesslich das Recht darauf, fremd zu sein und fremd zu bleiben. Sie arbeitet als Übersetzerin und wirft so ein Licht auf heutige Flüchtlingsschicksale. Das viel gelobte Buch liest sich hervorragend und löste in der Schweiz eine lange überfällige Diskussion um Zuwanderung und Integration aus.
Von Sarah Reinke, Pogrom, Zeitschrift der Gesellschaft für bedrohte Völker

Ich heisse Emigrazia

Irena Brežná wurde 1950 in Bratislava geboren. 1968 emigrierte die Familie in die Schweiz. Ihre Muttersprache ist Slowakisch, sie publiziert auf Deutsch, ihr Lebensthema ist in der ersten Zeile der tschechischen Nationalhymne formuliert: „Kde domov muj?/ Wo ist meine Heimat? Auch in ihrem neuesten Buch setzt sich die Schriftstellerin und Journalistin, die sich mit Prosa, Essays und Reportagen einen Namen gemacht hat, mit dieser Frage auseinander. In ebenso subtil wie provokant gestalteten Episoden schildert „Die undankbare Fremde“, wie aus der trotzigen jungen Emigrantin, die dem neuen Land nichts weiter abgewinnen kann als verzweifelte Sehnsucht nach der verlorenen Geborgenheit, eine selbstbewusste „Emigrazia“ wird, die sich die Fremdsprache zu eigen macht, um heimisch zu werden in Zwischenräumen. „Nichts als abhauen wollte ich aus der gefegten Leere, wo man mich massregelte, und zurückkehren zu den Gehsteigen meiner Stadt, auf denen Müll herumlag“, heisst es auf den ersten Seiten des Buches. Am Ende entfalten sich aus den Zwängen neue Möglichkeiten: „Ich bin nicht mehr ständig wütend und traurig, sondern praktisch, eine Sammlerin, durchmische das Alte mit allerlei Neuem (…) und werde nie aufhören, an meiner waghalsigen Konstruktion zu basteln, die mal einstürzt, mal sich bewährt.“ Die wichtigste Lektion, die „Die undankbare Fremde“ vermittelt, betrifft die komplexe psychologische Struktur dessen, was das Wort Anpassung bezeichnet. „Die Einheimischen“ erwarten diese Leistung von den „Fremden“, und weil sie – in Westeuropa, und zumal in der Schweiz – in Zeiten des Kalten Krieges höheren Lebensstandard und Demokratie anbieten, scheinen sie doppelt im Recht zu sein. Die „Fremde“ aber ist kein leeres Blatt, sie bringt ein Leben mit, und gleich, wie schwer es in der alten Heimat auch gewesen ist, Wohlstand allein wird ihr das Verlorene nicht ersetzen. Dass Glück quasi per Naturgesetz mit dem Bruttosozialprodukt parellel laufe und der Wohlhabende deshalb definieren dürfe, was das Gute sei – von dieser allzu simplen Formel möchte sich Irena Brežná ihre Erinnerungen nicht vorschreiben lassen. Und nicht nur die Ignoranz gegenüber einem Land, das für viele irgendwo im despotischen Dunkel des Ostens liegt, fordert ihren Widerspruch heraus, sondern ebenso auch beflissener Bürgersinn, der sich im Abstrusen versteigt. „Nestbeschmutzung durch ein Kuckucksei“, so nannte Irena Brežná mal ihre Form der Auseinandersetzung mit einem Land, das nicht ihr Vaterland ist, in einer Sprache, die nicht ihre Muttersprache ist. Die Post, die sie als Reaktion auf „Die undankbare Fremde“ erhielt, bestand keineswegs nur aus Lob für die stilistischen Feinheiten ihrer Prosa. Dass dieses Buch sich nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen lässt, versteht sich von selbst. Dennoch darf jeder „einheimische“ Leser sich im Stillen fragen, wie viel von dem hier Geschilderten auf sein eigenes Bild von den „Fremden“ wohl zuträfe. Mag sein, dass dann so manch empörter Widerspruch sich regen wollte, das alles sei erstens nicht objektiv und zweitens masslos übertrieben. Wenn sich die Aufregung wieder gelegt hat, wäre zu fragen, woher diese Empörung wohl rührte. Vielleicht von dem Gefühl, Irena Brežná habe – mehr als einmal – den Nagel auf den Kopf getroffen?
Von Lothar Quinkenstein, Saarbrücker Zeitung

Für dieses Buch besteht eine absolute Leseempfehlung! Nicht weil die Schweiz ein Land wäre, das man mehr als andere kritisieren müsste, auch wenn das Buch dort einigen Staub aufgewirbelt hat und die Autorin tatsächlich, wie im Buchttitel vorhergesehen, als "undankbare Fremde" empfunden wurde. - Es geht vielmehr darum, dass wir alle aus diesem Buch Gewinn ziehen können.
Bayerisches Fernsehen, LeseZeichen, von Daniela Weiland

Die zwölf Highlights 2012 Vadim Repin, Bruce Springsteen und Pat Metheny, Wolf Haas, Irena Brežná, Béla Pintér, Markus Imhoof, Sam Mendes, das Theaterfestival Basel, «Ariodante» in Basel, das Zürcher Kunsthaus sowie die Künstler-Rentner haben die kulturellen Glanzlichter des Jahres gesetzt. Nicht Alice in Wonderland, sondern Irena in Switzerland ist das Thema dieses Buches. Aber fast so erstaunlich wie Wonderland mutet es an, wenn die Autorin aus der Perspektive eines Einwanderermädchens von der neuen Heimat berichtet; von Geld-Überfluss und Gefühls-Unterkühlung, von Wundervollem bis hin zu Wunderlichem. Und wenn wir schon bei den Wundern sind: Wunderschön ist auch dieser Roman geschrieben, der einem den Blick weitet.

Der Sonntag/MLZ, Anna Kardos

Schon in den ersten Zeilen dieses schmalen Romans von Irena Brežná ist das Misstrauen der namenlosen Ich-Erzählerin spürbar, das Gefühl der Beklemmung, das augenblicklich von ihr (und vom Leser) Besitz ergreift, kaum dass sie ihre neue Heimat betritt. Es ist mitnichten ein jahrelang währender Prozess, in dem sie die Verheißungen des Westens als leere Versprechungen, die neu gewonnene Freiheit als trügerisch entlarvt. Im Gegenteil: Noch im selben Moment, in dem sie ihren Fuß in das Land setzt, offenbart sich ihr – ganz anders als der Mutter, die voller Zuversicht in die Zukunft blickt – das heuchlerische Wesen dieser neuen Heimat, die Bedrohung, die von ihr ausgeht. “Wir ließen unser Land im vertrauten Dunkel zurück und näherten uns der leuchtenden Fremde. »Wie viel Licht!«, rief Mutter, als wäre das der Beweis, dass wir einer lichten Zukunft entgegenfuhren. Die Straßenlaternen flackerten nicht träge orange wie bei uns, sondern blendeten wie Scheinwerfer. Mutter war voller Emigrationslust und sah nicht die Schwärme von Mücken, Käferchen und Nachtfaltern, die um die Laternenköpfe herumschwirrten, daran klebten, mit Flügeln und Beinchen ums Leben zappelten, bis sie, angezogen vom gnadenlosen Schein, verbrannten und auf die saubere Straße herunterfielen. Und das grelle Licht der Fremde fraß auch die Sterne auf.” Dass es sich bei dem Exil um die Schweiz handelt, ist unverkennbar. Auch wenn Menschen, Orte und Zeiten im Vagen bleiben, steht außer Frage, dass die Geschichte entlang von Brežnás eigener Biographie geschrieben ist. 1950 in Bratislava geboren, emigrierte die Autorin mit achtzehn Jahren in die Schweiz, wo sie heute – so der Umschlagtext – als »Journalistin, Schriftstellerin, Slawistin, Psychologin und Menschenrechtlerin« aktiv ist. Die Ich-Erzählerin ist zwar Dolmetscherin, doch im Grunde vereint sie in dieser Tätigkeit all die oben genannten, indem sie Flüchtlinge aus Osteuropa betreut, Frauen, Männer und Kinder, die sich – wie einst sie selbst – nicht oder nur schwer in ihrem neuen Leben einrichten und das alte abschütteln können.
Sie nimmt den Leser mit in das tägliche »Sprachkarussell«, begibt sich mit ihm auf »aufwühlende Fahrten« und wird dabei mit immer neuen Schicksalen konfrontiert. Mikrogeschichten, die sich in Form von kursiv gesetzten Passagen in ihre eigene Geschichte schieben und sie somit – auch visuell – aufbrechen. Es ist die Geschichte einer undankbaren Fremden, wie ja bereits der Romantitel vorwegnimmt – ein interessantes Wortspiel im Übrigen, denn die undankbare Fremde könnte auch dieses so fremde Land sein, das von den Einwanderern ewige Dankbarkeit erwartet, sich selbst aber nie »glücklich und dankbar« zeigt darüber, »dass wir zu Ihnen gekommen sind«. Und in der Tat: Die neue Heimat präsentiert sich der Protagonistin derart unwirtlich, dass diese sich fühlt wie in einer Zwangsehe – eingeengt und bevormundet. Aus einer Diktatur ist sie geflohen, doch der Kontrolle, den Pflichten und Verboten entkommt sie nicht, auch hier in dieser vermeintlich freien Gesellschaft nicht. Solange sie ihre Nachbarn nicht grüßt und den Schnee nicht vom Gehweg schaufelt, wird ihr die Einbürgerung verweigert: »Kein Staat war für mich zuständig. Der Ich-Boden war mein einziger Halt. Ich fegte und schaufelte ihn mir frei und provozierte unverschämt weiter«. Sie leistet Widerstand gegen die Normierungsversuche, begehrt auf: ein Leben wie ein »Seiltanz« – von Glück kann sie sagen, dass sie niemals abgestürzt ist. »Aber fast, hundertmal am Tag.« “Wie ich inmitten der umzäumten Welt ins Rasen kam! […] für einen jungen Raubvogel war es eine Volière. All meine Erfahrung sollte ich vakuumiert einpacken, als gefährlichen Abfall entsorgen und bei null anfangen. […] Und sie schoren mich kahl und verpackten mich in sterile Döschen. Nein. Ihrer Zwangsneurose stellte ich meine Hysterie entgegen, rannte schreiend davon. Die wilde Natur aufzugeben hieße, nicht mehr zu sein. Ich war rohes Fleisch, und darüber trug ich widerborstiges Fell. Nur nicht so werden, wie es hier Sitte war, abgekocht und gevierteilt. Ich wusste noch nichts von Verwandlungen und kämpfte für den Erhalt meiner Instinkte.” Mit der Zeit nähern sich die widerspenstige Frau und der ungeliebte Ehemann, der sie zu zähmen versucht, aber doch noch an, und zwar ausgerechnet über die Fremdheit, die für beide zur identitätsstiftenden Seinsform wird. »Schicht um Schicht lagern sich in meiner Persönlichkeit die kulturellen Erfahrungen ab«, sagt die Protagonistin über sich selbst, doch für die Schweiz gilt das nicht weniger. Diese ist im Begriff sich zu verändern, wie ein »Wunderbrei« schwappt die Fremdheit über sie und zwingt sie, über das eigene Selbstverständnis zu reflektieren. Zum ersten Mal fühlt sich die Ich-Erzählerin heimisch – nicht in dem Land, sondern in der Fremdheit. Die undankbare Fremde erzählt keine kohärente Geschichte, vielmehr ist es eine lose Folge von Fragmenten, Momentaufnahmen, die vieles im Ungefähren lassen. Woher die Frau stammt, weshalb sie geflohen ist, ist nicht Gegenstand der Erzählung; einzig um ihren Kampf mit der Fremde geht es. Beachtlich ist dabei Irena Brežnás kraftvoll-lyrische Sprache, die ungewöhnlichen und bisweilen rauen Bilder, aus denen der ganze Zorn der Ich-Erzählerin spricht. Nicht wenig erinnert mich dieses Werk an Julya Rabinowichs "Spaltkopf", das sich einer ganz ähnlichen Thematik widmet und dabei sprachlich sogar noch dringender, noch fordernder ist, manchmal zu sehr. Wie "Spaltkopf "ist auch "Die undankbare Fremde" ein Roman, der mit seiner Poetik der Wut unter die Haut geht und noch lange nachklingt.
www.bibliophilin.de

„Stell dir vor, du gehst auf der Straße und alle denken, du seiest von hier“, so preist ein Lehrer seiner neuen Schülerin, einem Flüchtling, die Vorzüge der Anpassung in Irena Brežnás Roman "Die undankbare Fremde" an. Doch kann man Einwandern die Assimilation als möglichen Lebensentwurf wirklich mit solchen Beschwörungen schmackhaft machen? Die Basler Journalistin, Schriftstellerin und Slawistin, Jahrgang 1950, die mit ihren Eltern 1968 in die Schweiz emigriert ist, weiß die Antwort: Nach ihren Reportagen aus Mittel-und Osteuropa "Falsche Mythen" (1996), der mit dem Theodorf-Wolff-Preis ausgezeichneten Tschetschenien-Kriegsreportage "Die Sammlerin der Seelen" (2003) und der literarischen Fiktionalisierung ihrer sozialistischen Kindheit im Roman "Die beste aller Welten" (2008) setzt sie sich mit den leidvollen Jahren einer unter Assimilationsdruck stehenden Identitätsfindung auseinander. Als Emigrantin hat man, so lehrt Irena Brežnás Erzählerin ihr tragisches Schicksal, nicht nur „die weite Haut der Gemeinschaft“ verloren, mit der Emigration zerbricht auch die Einheit von Ich und Welt. Im Roman korrespondiert diese erzwungene Selbstaufgabe mit der Verstümmelung des Namens, dem Verlust seiner „Flügel und Dächlein“, und der weiblichen Endung, was mit dem Gefühl der Nacktheit einhergeht. Nackt macht die Aufnahmegesellschaft ihre Einwanderer auch, indem sie das Mitgebrachte – Gefühle, Erfahrungen und Wissen – für unbrauchbar erklärt. Wer kennt schon in der Schweiz das slowakische Märchen vom Wundertopf vom Brei, der überkocht und sich über die Schwelle des Hauses und dann über das ganze Land ergießt? Wer will schon wirklich wissen, wie es sich in einer Diktatur lebt oder wie sich das Bodenlose der Emigrantenexistenz anfühlt?
Selbstmittleid und „Groll gegen das Unvertraute“ bestimmen nun fortan das Leben der jungen Frau. Mit jugendlichem Trotz rebelliert sie gegen die „gefegte Leere“ der Schweiz, gegen ein Land, in dem Katzen füttern verboten, Körperkontakt verpönt und nur fremde Schwäche liebenswert ist. Die Schweizer nimmt sie als Menschen mit „erschlafften Instinkten“ wahr, sie sind in ihrer Darstellung humor- und harmlos. „Zu jung war ich für dieses erwachsene, vernünftige Land“, lautet ihre Devise aus dem zeitlichen Abstand. Was folgt, ist ein langwieriger Ortungsprozess, „eine Jahrzehnte dauernde Umsegelung“ der Welt, festgehalten in zahlreichen literarischen Reportagen über heimatlose Völker und rastlose Individuen, denen sie als Chronistin ihres Schicksals in Guinea, Kosovo oder Tschetschenien beistand. Zwar bekommt die slowakische Heimat „eine Bleibe in der Ferse“, wie es in einem Essay heisst, „unter der dicken Hornhaut“, weil man sie braucht, „um lange Fußmärsche durch so viele Absurditäten auszuhalten“, doch längst geht es vor allem darum, in einer in Bewegung geratenen Welt noch mehr Fremdheiten einzufangen. Sie wird zu einer Sammlerin, die aus „Wrackreste(n) und zusammengesuchte(n) Teile(n)“ an einer waghalsigen Konstruktion bastelt – an einer offenen Identität. Je mehr sich Wut und Traurigkeit verflüchtigen, desto leichter fällt jedes Mal die Rückkehr in die Schweiz. Es kommt der Tag, an dem sie ein Hineingleiten ins Vertraute, Ruhe und Stille bedeutet. Doch nicht jedem glückt die Eingliederung. Eingefügt in die Geschichte der Ich-Erzählerin sind über 20 Miniaturen aus einer Parallelwelt der Migranten, allesamt Momentaufnahmen aus ihrem Alltag als Dolmetscherin, die sich dem Diktat ihres Berufsstandes –„Nur vermitteln, nicht eingreifen“ - schwer, mitunter gar nicht beugen kann und will. Vom Haupttext kursiv abgesetzt schildern diese (Des)Integrationsberichte das Leid all jener, denen die Heimat und mit ihr auch die Fähigkeit, das eigene Leben unter Kontrolle zu halten, abhandengekommen ist. Sie bevölkern die Korridore der Behörden, Krankenhäuser und Kliniken, erhoffen Hilfe von der Beratungsstelle für Flüchtlinge, stehen wegen kleinerer Delikte und grösserer Verbrechen vor Gericht. Auch die kennen „das Krachen, wenn Kulturen aufeinanderstoßen“, auch sie glaubten, wie einst das kleine slowakische Mädchen, „an eine besserer Welt“. Als zuverlässige und fremdheitserprobte Fährfrau versucht die Erzählerin zwischen den geschlossenen Fronten der Kulturen überzusetzen und den Bedürftigen Schutz zu bieten. Als Schriftstellerin protokolliert sie die aufwühlenden Begegnungen in verstörend poetischen Bildern – ein beliebter stillistischer Kunstgriff Brežnás auch als Journalistin und Kriegsberichterstatterin -, die nicht selten mit dem Trauma des Opfers, der Härte der Situation oder Hinterlistigkeit des Täters kollidieren. Die namenlose Masse der Einwanderer, oder wie es im Roman heisst „das Volk der Fremden“, verliert durch dieses Schreibverfahren seine von der Öffentlichkeit suggerierte Homogenität und zerfällt, wenn auch nicht in konkrete Subjekte, so zumindest in mehrere kleine (literarische) Lebensspuren. So ist "Die undankbare Fremde" auch ein Buch über die unterdrückte Wut der Einwanderer geworden, die nicht gehört werden, weil sie keine Stimme haben. Mit sprachlicher Präzision zeichnet Brežná das Bild einer Schweiz, die sich nach außen aufgeschlossen gibt, in der es aber im alltäglichen Umgang miteinander eher intolerant zugeht. Sie wehrt sich gegen den Zwang einer permanenten Dankbarkeit, die jegliche Kritik verstummen lässt. „Zuhause ist dort“, heißt es an einer Stelle des Romans, „wo man motzen kann“, und Irena Brežná macht von ihrem Recht auf freie Meinungsäusserung als pflichtbewusste Bürgerin Gebrauch. So wird die anfangs verhöhnte schweizerische Wesensart, in jeder Lage Abstand zu wahren, nicht nur zur persönlichen Rettung, denn die Abgrenzung hilft, einer Verschmelzung mit den anderen vorzubeugen und einen inneren Persönlichkeitskern zu wahren, sondern auch zum entscheidenden Grundsatz einer kritischen Wahrnehmung, ohne die eine gesellschaftliche Transformation, die die Schweiz laut Brežná bitter nötig hat, undenkbar wäre. Zum Wohle der Gemeinschaft und damit der eingangs zitierte Satz kein uneingelöstes Versprechen bleibt. 
Monika Riedel, Spiegelungen, Zeitschrift für deutsche Kultur und Geschichte Südeuropas, Heft1, Jahrgang 2013

Ich heisse Emigrazia
In einer klaren, meist pontiert, vorgetragenen Weise schildert die junge Frau, wie sie vom Überangebot von Waren aller Art schier erdrückt wird oder wie sie langsam erlernt, die Vokabel „Freiheit“ als solche Freiheit zu begreifen, sich zwischen verschiedensten Putzmitteln für eines entscheiden zu können. Zuerst versucht sie, sich mit unterschiedlichsten Tätigkeiten über Wasser zu halten, um Zutritt zur Welt der Einheimischen zu erheischen. Als sie aneckt, merkt sie schnell, dass viele dieser Spezies eine „eckige Seele“ zu haben scheinen. Stets wird Dankbarkeit dafür erwartet, was sie eigentlich als Normalität empfindet. Was Wunder, dass ihr „Weinen beim Stolpern herausfällt“ und der „Gestank von daheim“ sich als „Duft in der Fremde“ erweist. Mühsam erwirbt sich die Erzählerin die Erkenntnis, dass in der Schweiz alles, auch die Kommunikation, stringent bis ins letzte Detail geplant sei, dass Erzählen jedoch keine einheimische Stärke sei, dass das Wort „Individualist“ ein Schimpfwort in einer Diktatur, aber eine Errungenschaft in der Demokratie sei... Das Aussprechen ehrlicher und individueller Meinungen werde stattdessen als „Motzen“ begriffen und geahndet... Der Rahmen des Romans, der keine fortlaufende Handlung aufweist, wird gebildet durch eine Begebenheit, die derjenigen gleicht, wie sie die Erzählerin selbst bei ihrem Eintritt in die „bessere Welt“ erlebte: man sollte an diese bessere Welt glauben! Mit unzähligen guten Taten hatte sie erfolgreich den Fluch des Exils überwunden, was in das Fazit mündet, man sollte die fremde Identität zerschneiden und die nun entstandenen Teile einfach neu zusammennähen. Das Buch vermag es, witzig und lakonisch, abwechslungsreich und weise in die aktuelle Migrationsdebatte einzugreifen. 
Reiner Neubert, Ostragehege, Die literarische Arena, Dresden, Heft IV/2013, Nr. 72

Der „Westen“, betrachtet und seziert aus dem europäischen „Osten“ 
Die Themen „Fremde“ und „Heimat“ tauchen in Brežnás Werken in zahlreichen verschiedenen Abwandlungen immer wieder auf. Ihr bisher letztes grosses Werk macht diesen Umstand bereits im Titel expliziert: „Die undankbare Fremde“ beginnt im Jahr 1968 als es die Erzählerin angesichts des Endes des Prager Frühlings in die saturierte Schweiz verschlägt. Bei der Einreise verändert der Grenzbeamte den Familiennahmen der Erzählerin (da er nicht versteht, warum sich die Namen von Frauen und Männern in vielen slawischen Sprachen unterscheiden) gibt ihr einfach den Namen von Vater und Bruder. Unter den Flüchtlingen kursieren sogar noch über die Okkupation ihres Heimatlandes Witze. „Ich weinte über den letzten Witz aus unserer Diktatur. Nun sollten wir demokratisch und witzlos leben.“ Die Situation ist natürlich kurios: Die reformkommunistische Tschechoslowakei wurde von ihrem „besten Freund“, der Sowjetunion, überfallen, und nun waren die Flüchtlinge im „Feindesland“, konkret der kapitalistischen Schweiz, gestrandet. Alle drei Länder werden nirgendwo beim Namen genannt, doch können nur sie gemeint sein. So ist die Schweiz unverzüglich daran zu erkennen, dass erwähnt wird, dass in diesem Land vor 1971 Frauen noch kein Wahlrecht besassen. Gleich zu Beginn des Buches wird die Erzählerin in ihrer neuen Heimat Dolmetscherin für andere Flüchtlinge – vor Gericht, bei der Fremdenpolizei und anderen Behörden. Sie macht sich in dieser Eigenschaft folgende Maxime zu eigen: „(...) biete dich nicht als Brücke an, die stets zu Diensten steht, sonst trampelt man auf dir herum und bringt dich zum Einsturz. Sei eine Sprachfähre, führe die Passagiere hinüber, lege ab und lösche ihre Gesichter aus dem Gedächtnis..“ Das Wesen des Dolmetscherberufes liege „in der Tilgung der Persönlichkeit“. Tatsächlich aber mildert sie dann bei der Übersetzung doch schlechte Nachrichten ab oder betrachtet sich als „Recyclerin, die aus dem Wortmüll nur die wertvollsten Stücke rettet“. Ein guter Teil des Buches behandelt die Erlebnisse der Erzählerin bei dieser Tätigkeit. Sie hat mit ganz unterschiedlichen Schicksalen zu tun – Kriegsflüchtlingen, zerbrochenen und gestrandeten Existenzen, unterentwickelten Kindern, Kranken, Verzweifelten, Traumatisierten, Suizidgefährdeten, Drogensüchtigen. Glückliche Menschen sind kaum darunter - wie denn auch? Regionen, aus denen die Flüchtlinge kommen, werden nicht namentlich genannt, aber in mehreren Fällen deutet vieles auf Tschetschenien hin. Eines der Ziele der Beachtung und des Spottes der Erzählerin ist die Gefühlswelt ihrer neuen Heimat, wo „Gefühle getarnt und geräuschlos wie Partisanen unterwegs waren“. In der Warteschlange bei der Kasse eines Supermarktes herrscht Schweigen. Die Erzählerin kommentiert: „Worüber hätten sie sich auch unterhalten sollen? Die Warenknappheit fehlte, über die zu nörgeln wohlige mitmenschliche Wärme erzeugt.“ In der Schweiz seien „weder der Kondukteur noch der Pöstler darauf gedrillt zwischen Tür und Angel ein paar unfunktionelle Worte auszutauschen.“ Gleichzeitig neigen die Schweizer dazu ständig zu grüssen und sich zu entschuldigen. Und: „Jemand, der sich seiner Sache allzu sicher war, lebte hier einsam.“ Bescheidenheit sei „der Prunk des Landes“; das zeige sich unter anderem daran, dass der Wirtschaftsminister mit dem „Trämli“ fährt, der sparsame Finanzminister mit dem Fahrrad und der Innenminister überhaupt zu Fuss geht. Die Erzählerin meint also, dass die Schweizer ihrer unsicher seien. Zudem ist ihr die Schweiz zu rational, zu gefühlskalt, zu berechnend, zu egoistisch, zu individualistisch, zu vorhersehbar, zu zurückhaltend und unsensibel. „Zu jung war ich für dieses erwachsene, vernünftige Land. Meine Versuche, es zur wilden Liebe herauszufordern schlugen fehl.“ Und: „Zuhause ist dort, wo man motzen darf. Und ich hatte kein Zuhause.“ Ein Vorwurf führe in der Schweiz weiter als „bei uns“ (in der kommunistischen Tschechoslowakei) ein Kompliment, das „unpädagogisch“ sei und „eine süssliche, den Verstand vernebelnde Atmosphäre“ schaffen würde; mittels Vorwurf könne man auch gute Bekanntschaften machen, er war „der Königsweg zum anderen“. Das war der Erzählerin lange nicht klar, sie wähnte sich ungeliebt – „dabei stand ich umzingelt von Vorwürfen im Mittelpunkt der Liebe“. So ist es nicht verwunderlich, dass Liebesgeschichten der Erzählerin mit Schweizern meist im Ansatz stecken bleiben oder unter grotesken Umständen scheitern. Auf besondere Aufmerksamkeit stösst die Erzählerin nur im Krankenhaus: „Die Todgeweihten hatten es am besten. Sie wurden auch am Kopf gestreichelt.“ „Fremde Schwäche war liebenswert. Sollten sich die Schwachen allerings anmassen, über das erträglich Mass zu Kräften zu kommen, entzog man ihnen die Liebe.“ Die Erzählerin findet sogar, dass in der Schweiz die Geburten insofern eigenartig ablaufen würden, als die werdenden Mütter nicht schreien: „In einem Büro schreit man nicht, und das ganze Land war ein Amt“ – und wenig überraschend, gleichzeitig ein Archiv: „Was immer auch geschah, wurde aufbewahrt, katalogisiert, nach hohem Standard“. „Bei uns“ – also in der Tschechoslowakei – „dehnten wir das Private ungebührlich ins Öffentliche aus, hier frass sich das Offizielle ins Private hinein“. Die Erzählerin ironisiert auch die Bedeutung der Armee in der Schweiz, in die ihr Nachbar jedes Jahr für ein paar Wochen als „dekorierter Brigadier“ einrückt. Sein Sohn kritisiert das, worauf ihm der Vater nahelegt, sich doch eine Fahrkarte ins „Reich des Bösen“, also die Sowjetunion, zu kaufen. Die Erzählerin bevorzugt in dieser Angelegenheit eigentlich den Sohn und „fast wären wir Komplizen geworden, hätte der Sohn nicht ausgerechnet meine Diktatur zum Reich des Guten verklärt. Politisch stigmatisiert war ich, eine Verräterin, die aus seinem Utopia abgehauen war.“ Mit der Justiz der Schweiz macht die Erzählerin insgesamt gute Erfahrungen. Sie hatte bei einer Veranstaltung „das Lügengebäude eines Politikers auseinandergenommen und wurde verklagt „verdächtigt des Motzens“. Die Richterin sprach sie mit dem Argument frei, eine Lüge des Klägers öffentlich entlarvt zu haben, was für die Demokratie notwendig sei. „Im Gerichtssaal, im Ritual um Recht und Unrecht, bekam ich ein Vaterland. Mein Mutterland hatte ich verlassen müssen, aber es lebte in mir weiter, ich habe es nie verloren“. Überhaupt lehnt es die Erzählerin ab, sich „ethnisch einfangen zu lassen“: „Meine Heimat ist Ausländerin. Von hier lasse ich mich nicht mehr emigrieren.“ Hervorzuheben ist die Sprachbeherrschung der Autorin, die ja nicht in ihrer Muttersprache schreibt. Brežná meinte in einem im März 2012 erschienenen Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“, dass sie dankbar dafür sei, „in eine grosse Sprache eingewandert“ zu sein – und meint damit explizit literarisches Deutsch, nicht etwa lokale Dialekte. Und konkret zur „undankbaren Fremden“: „Wo ich motzen darf, dort bin ich zu Hause. Insofern habe ich mich mit diesem Buch eingebürgert“. Dieses Buch sollte man nicht „überfliegen“, sondern Satz für Satz aufnehmen und durchdenken. Dabei benötigt das lesende Publikum Kenntnisse der osteuropäischen Zeitgeschichte und der Eigenheiten sowjetisch geprägter Gesellschaften, um die zahllosen Anspielungen der im realen Leben zwischen (mindestens) zwei Welten hin- und heroszillierenden Autorin im Text zu erkennen und zu dechiffrieren. Vermutlich muss man „von aussen“ kommen um an einem satten „westlichen“ Land und seiner Bevölkerung so viele Details zu bemerken und süffisant zu kommentieren wie Brežná das gelingt. Ihre Perspektive ist auch und gerade die des „Unterschiedes“ – zwischen den Verhältnissen, die ihr aus dem Realsozialismus vertraut waren, und jenen in der Schweiz, beziehungsweise im „Westen“. Diese Betrachtungsweise führt, kombiniert mit gezielten „lustvoll-polemischen Übertreibungen“ (Iris Radisch) zu Schlüssen, die allen jenen, die nur im „Westen“ aufwachsen, fast zwangsläufig kurios, (tragi-)komisch, unverständlich oder sogar absurd erscheinen müssen. Bereits der Titel des Buches ist – natürlich – ironisch gemeint. „Undankbar“ ist die Titelheldin, weil sie lange nicht alles an dem Land, das sie aufgenommen hat, gut und richtig findet. Und warum sollte sie auch? Demokratien können (im Unterschied zu Autokratien) „Glück“ ja nicht „anordnen. Die Erzählerin weigert sich „in der Zwangsehe mit dem Gastland glücklich zu werden“. Manche Personen mit Migrationshintergrund würden die Sitten und Gebräuche ihrer neuen Heimat mit Entschlossenheit übernehmen und verteidigen. Doch die Erzählerin empfiehlt eine Änderung der (wohl unzutreffend als in dieser Hinsicht einförmig angenommenen) Mentalität der „Zugereisten“, die den Einheimischen zu verstehen geben sollten: „Wir wollen euch nicht nur nacheifern, wir finden bei euch nicht alles erstrebenswert. Es ist unmöglich, auf die Dauer dankbar zu sein“. Während des Lesens fragt man sich stellenweise doch, warum die Autorin/Heldin eigentlich nach 1968 in der Schweiz geblieben ist. Man wird den Verdacht nicht los, dass die namenlose Protagonistin – und mit ihr die Autorin – diesem solcherart „dekonstruierten“ Land für die Aufnahme doch dankbar ist. In Interviews gibt Brežná durchaus zu, gerne dort zu leben, ja sie erklärt sogar (wieder ironisch?), dass das Buch eigentlich „eine Liebeserklärung an die Schweiz“ sei. Doch auch das relativiert Brežná dann wieder, indem sie in einem Artikel über „Die undankbare Fremde“, der die zahlreichen Reaktionen auf das Buch zusammenfasste, meinte, dass es von einer „universellen Tragödie“ handele, die nur zufällig in der Schweiz spiele. „Denn welches Land kenne ich schon besser?“ Eine Handlung im eigentlichen Sinne gibt es in der „undankbaren Fremden“ kaum, man vermisst sie aber nicht wirklich. Brežná zeichnet die Innenwelt ihrer Figuren durchaus fein und lässt sie dabei nie eine gerade Strasse entlanggehen; stattdessen stehen sie ständig an Kreuzungen, Baustellen und vor Türen, die erst langwierig geöffnet werden müssen. Einfache, eindeutige Urteile sind nicht Sache der Autorin und ihrer Akteure. So treten auch kaum Gestalten auf, die nur „gut“ oder „böse“ sind – sie sind entweder beides zugleich oder nichts wirklich. Auch die Situationen, in die sie geraten, lassen verschiedene, ja widersprüchliche Bewertungen zu. Konsequent erlaubt sich Brežná kaum „endgültige“ Urteile über Personen und Ereignisse; auf der übernächsten Seite kann wieder alles ganz anders sein. – Als Conclusio bietet sich an, dass man sich auf viele verschiedene Arten „undankbar“ zeigen kann. Irena Brežná hat fern von jeder platten „political correctness“ in der „undankbaren Fremden“ eine besonders überzeugende gewählt.
Martin Malek, Wespennest, Wien

bottom of page